Die Dämonenwache. Kampf um Port Fayt (German Edition)
war, als hätte ihm jemand einen Schlag versetzt. Konnte es wirklich … Er sah sich das Gemälde genauer an, und ihm wurde ganz schwindelig. Wieder schossen ihm die Worte der Hexe durch den Kopf.
Er hat mir gesagt, dass du ihn hast.
Es war so, wie Newton gesagt hatte. Die Hexe arbeitete nicht allein. Aber es war nicht Colonel Cyrus Derringer, der ihr half.
«Wartet», flüsterte er. «Wartet einen Moment –»
«Alle bereit?», fragte Newton und ließ seinen Stock in einer Hand kreisen.
Die Wächter nickten.
Dann trat Newton die Tür mit dem Stiefel auf. Angespannt und kampfbereit hielt er inne und suchte mit erfahrenem Blick blitzschnell den Raum ab.
«Was zum Seeteufel?», sagte eine Stimme von drinnen.
«Falsche Tür», sagte Newton. «Lauft.»
Schwarzmäntel drängten hinter ihm aus dem Raum, während er durch den Korridor zurückrannte.
«Nicht schießen!», schrie einer der Milizsoldaten. «Schnappt sie euch lebendig.»
Hal und Old Jon rannten bereits, und Grubb heftete sich ihnen an die Fersen. Sie schlitterten um eine Ecke, und Old Jon gab einen Schuss ab.
Newton lief voraus und zog eine kleinere Tür auf.
«Hier lang», flüsterte er. Alle vier drängten sich hinein, und Newton drehte den Schlüssel um, der im Schloss steckte. «Wir verbarrikadieren die Tür. Das müsste sie aufhalten, bis –»
«Was machen Sie hier?»
Alle drehten sich um. Das Zimmer, das Newton ausgesucht hatte, war eine große, staubige Bibliothek voller hoher Mahagoniregale. Genau wie der Rest des Hauses wurde er vom Mondlicht erhellt – sein blasser Lichtschein fiel am anderen Ende des Raums durch deckenhohe Fenster. Doch das, was sie am meisten überraschte, war die Gestalt, die soeben neben den Fenstern aus dem Schatten getreten war und nun vor einem großen, mit Büchern und Schriftrollen bedeckten Schreibtisch stand. Die Gestalt, die gerade gesprochen hatte.
Gouverneur Eugene Wyrmwood.
30. Kapitel
D as Gesicht des Gouverneurs war nur schwer mit jenem auf seinem Porträt in Einklang zu bringen. Es war viel älter und faltiger, blass und hohläugig, als brauche sein Besitzer dringend eine ordentliche Portion Schlaf. Und anstelle des stolzen, herrischen Blicks stand in seinen Augen der Ausdruck absoluten Entsetzens.
«Raus hier», sagte er. «Sofort raus.» Die Lesebrille zitterte in seiner Hand.
«Gouverneur Wyrmwood», sagte Newton. «Thalin sei Dank, dass wir Sie gefunden haben. Ihr Leben ist in Gefahr.»
«Wartet», sagte Grubb. «So ist es nicht –»
Aber Newton hatte ihn nicht gehört.
«Die Hexe, vor der ich Sie gestern gewarnt habe, Euer Gnaden, ist hinter Ihnen her. Sie hat einen höchst gefährlichen Zauberstab bei sich und sie –»
«Wovon reden Sie?»
«Arabella», platzte Grubb heraus. «Er spricht von Arabella Wyrmwood.»
Newton starrte ihn an. Der Mund des Gouverneurs zuckte, und sein Blick verschleierte sich.
Schweigen erfüllte den Raum.
«Arabella», sagte der Gouverneur leise. «Ja, das war ihr Name.»
Grubb trat vor.
«Ich habe das Gesicht der Hexe gesehen», sagte er. «In der Gasse hinter dem Pastetenladen. Und gerade eben habe ich es wiedergesehen, auf dem Gemälde im Korridor. Sie sah viel jünger aus, aber ich bin mir sicher, dass es die gleiche Person ist. Die Hexe ist Miss Arabella Wyrmwood und damit …»
«… Gouverneur Wyrmwoods Mutter», endete Hal leise.
Der Gouverneur wirkte blasser als je zuvor.
Newton schüttelte den Kopf. «Das ergibt keinen Sinn. Arabella Wyrmwood ist vor zehn Jahren gestorben.»
«Aber sie … das kann nicht sein. Ich habe sie gesehen. Was … was ist, wenn sie sich versteckt hat oder so etwas. Oder … oder …»
Grubb schaute zum Gouverneur hinüber auf der Suche nach einem Hinweis, dass er recht haben könnte, aber Eugene Wyrmwood starrte einfach vor sich hin und sagte gar nichts. Grubb wurde ganz flau im Magen. Wenn er sich irrte, dann …
Ein gedämpftes Klopfen an der Tür ließ alle zusammenfahren.
«Ich bin beschäftigt», raunzte Wyrmwood, was die anderen abermals zusammenfahren ließ. «Lassen Sie mich in Ruhe.»
«Ja, Euer Gnaden. Verzeihen Sie.»
«Mr. Wyrmwood», sagte Newton, als die Schritte der Milizsoldaten im Korridor verhallten. «Uns bleibt wenig Zeit. Wir müssen die Wahrheit erfahren.»
Die Augen des Gouverneurs waren starr auf den Teppich gerichtet.
«Ich wusste nicht, dass sie noch lebt.» Seine Stimme war ein heiseres Krächzen, und er schluckte schwer. «Nicht bis heute Nachmittag. Sie hat mich
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