Die Daemonin des Todes
sich für erwachsen zu halten. Nach all den Dingen, die sie gesehen, den Schrecken, die sie erlebt hatte… wenn sie das nicht erwachsen gemacht hatte, was dann?
Jetzt wusste sie, dass es eine Selbsttäuschung gewesen war.
Auch wenn es ihr überhaupt nicht gefiel, so wusste sie doch, dass sie erst in dem Moment richtig erwachsen sein würde, wenn ihre Mutter nicht mehr da war, um auf sie aufzupassen und für sie zu sorgen, selbst wenn Buffy das gar nicht wollte.
Erst wenn sie begriff, was der Tod wirklich war, würde sie kein Kind mehr sein. Das Wissen um die Existenz des Todes genügte nicht; das hatte sie schon vor langer Zeit erworben, als sie selbst gestorben war, wenn auch nur für einen kurzen Moment, bevor Xander sie wiederbelebt hatte. Das war etwas anderes. Menschen starben nun einmal; sie hatte es oft genug gesehen. Aber jetzt drohte der Tod ihr mit Gewalt ein großes Stück ihres Lebens zu entreißen. Die Stärke ihrer Mutter hatte sich für Buffy immer wieder als unschätzbare Hilfe erwiesen. Das Band zwischen Mutter und Tochter, ihre gemeinsamen Erinnerungen, würden sich in scharfe, schmerzhafte Dinge verwandeln, falls der Tod sie zerbrach.
Falls, dachte Buffy. Aber es heißt nicht falls, sondern wenn.
»Wie kann ich dagegen kämpfen?«, fragte sie sich flüsternd.
Angel drückte sie fester an sich, und sie ließ es zu, fand Trost in seinen Armen.
Aber sie weinte nicht wieder. Und sie würde es auch nicht mehr tun. Sie schwor sich in diesem Moment, dass sie wegen der Krankheit ihrer Mutter keine weiteren Tränen vergießen würde, sofern nicht das Undenkbare geschah.
Doch kaum hatte Buffy diesen Schwur geleistet, fürchtete sie auch schon, ihn wieder zu brechen.
Falls sie stirbt, dachte Buffy und klammerte sich an Angel, als sie sich zum ersten Mal erlaubte, diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht zu ziehen. Falls sie stirbt, kann von mir aus die Welt untergehen. Das spielt dann auch keine Rolle mehr.
Giles hatte sie die ganze Zeit schweigend angesehen, ein stummer Zeuge ihres Schmerzes. Aber jetzt trat er auf sie zu und streckte die Hand nach ihr aus, und Buffy ließ Angel los, und sie und Giles umarmten sich. Sie hatten so etwas noch nie zuvor gemacht, und sie stellten sich dabei sehr ungeschickt an. Aber sie brauchte ihn so dringend, auf eine andere Art als Angel oder Willow. Sie hielten alle zu ihr, und sie würden es immer tun. Buffy wusste das. Aber Giles… Giles wachte über sie. Passte nach besten Kräften auf sie auf.
Buffy brauchte das jetzt.
»Wir können heute Nacht nichts mehr tun«, erklärte Giles. »Geh nach Hause. Schlaf ein wenig. Morgen kümmerst du dich dann um Joyce. Wir werden versuchen, vorbeizukommen, wenn es irgendwie möglich ist.«
Buffy löste sich von ihm. Sah dem Wächter in die Augen. »Und ich werde bei Anbruch der Dunkelheit wieder hier sein.«
Giles nickte.
Sie ging mit Angel zur Doppeltür. Als sie sie aufstieß, drehte sich Buffy noch einmal zu Giles um, der sich wieder über die versengten Seiten von Peter Toscanos Tagebuch gebeugt hatte.
»He«, rief sie, und Giles blickte auf. »Sie sollten auch etwas schlafen, okay?«
»Vielen Dank, Buffy«, erwiderte er. »Nur noch zwanzig Minuten, dann mache ich ebenfalls Schluss.«
Buffy lächelte matt und nickte andeutungsweise. Aber als sie mit Angel hinausging, wusste sie, dass Giles gelogen hatte. Er hatte den Großteil der Prophezeiung und die Hälfte von de Molays Tagebuch entziffert, aber wenn es in diesen angekohlten Seiten noch irgendeinen Hinweis darauf gab, wie man das Triumvirat vernichten konnte, war er entschlossen ihn zu finden.
Er würde vermutlich an seinem Schreibtisch einschlafen, wie er es häufig tat.
Das Licht der Morgendämmerung würde ihn wecken.
Und dann würde er wieder von vorn anfangen.
»Ich kann nicht glauben, dass wir ganz allein hier draußen sind«, klagte Cordelia.
»Ja«, stimmte Xander. »Irgendwie unheimlich, was? Möchtest du dich vielleicht an mich schmiegen, damit ich dich beschützen kann?« Sie starrte ihn finster an. »Nur in deinen Träumen.« Xander nickte freundlich. »Vielleicht überlegst du es dir noch anders.«
»Ich würde mich eher von einem Zahnarzt mit rostigen Instrumenten ohne Betäubung behandeln lassen«, versetzte sie höhnisch. Hohn war schon immer ihre große Stärke, dachte Xander. Sie standen mitten auf dem Crestwood-Friedhof, nur einen halben Kilometer von dem gleichnamigen College entfernt. Es war außerdem der Name des gesamten
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