Die Daemonin des Todes
sie nicht gerade versuchten, ein Mädchen in ihr Bett zu locken. Und jene, die auch nur halbwegs interessant genug waren, um mit ihnen nach Hause zu gehen, hatten für gewöhnlich schon bei ihrem nächsten Besuch im Tank Peppers Namen vergessen.
Trotzdem versuchten sie es immer wieder. Obwohl Pepper sich innerlich ausgelaugt fühlte, wusste sie, dass sie noch immer attraktiv war. Ihr lockiges rotes Haar erregte eine Menge Aufmerksamkeit, ebenso ihre Sommersprossen und ihre Größe. Sie war eine sehr kleine Frau von knapp einsfünfzig bei einem Gewicht von sechsundvierzig Kilo. Aber trotz ihrer geringen Größe hatte sie mit den meisten Kerlen keine Probleme. Sie mochten mit ihr flirten, aber wenn sie nicht interessiert war, bedrängten sie sie nicht weiter. Die Stammgäste respektierten sie und die anderen wollten sich einfach keinen Ärger mit einer Frau einhandeln, die so hart wirkte wie Pepper Roback.
Aber Pepper war überhaupt nicht hart. Nicht innerlich. Sie hatte lediglich zu überleben gelernt. Es war von größter Wichtigkeit für sie, dass sie sich durchsetzen, auf sich selbst aufpassen konnte. Niemand sonst würde das für sie tun. Pepper hatte nur kurz im Fish Tank vorbeischauen wollen und war zu lange geblieben. Und der Rest der Welt hatte sich ohne sie weitergedreht.
Pepper wusste, dass ihr mit siebenhundert Dollar auf der Bank die Tür zum College verschlossen war. Und nicht nur das, die meisten Türen waren ihr mittlerweile verschlossen. Sie hatte Lehrerin werden wollen. Später, als ihr langsam klar geworden war, dass der schale Bierdunst, das raue Gelächter und die tiefe Depression, die sich im Fish Tank ausbreiteten, nun Teil ihres Lebens waren, hatte sie überlegt, Kindergärtnerin zu werden.
Keine Frage, sie liebte Kinder. Aber im Lauf der Zeit hatte sie sich gefragt, ob sie ihnen überhaupt etwas zu geben hatte. Pepper wusste, dass sie kein gutes Vorbild abgab. Das Fish Tank und die Leute, die dort ihre Zeit verbrachten, hatten etwas Vulgäres an sich. Und sie waren nicht ganz ungefährlich. Die Männer und Frauen, die Nacht für Nacht in die Bar kamen, schreckten vor keiner Schlägerei zurück und waren sogar bereit, ihre Gegner mit abgebrochenen Flaschen oder Messern zu traktieren, wenn sie es für notwendig hielten. Sie setzten diese Waffen ohne zu zögern ein, denn sie hatten keine Angst vor dem Gefängnis.
Aus dem einfachen Grund, weil sie nichts zu verlieren hatten.
Es war kein erfülltes Leben. Ganz und gar nicht. Aber Pepper hatte endlich etwas unternommen, um das zu ändern, hatte etwas gefunden, das ihr Leben bereicherte und sie zum Lächeln brachte, etwas, auf das sie sich freuen konnte, Woche für Woche. Jeden Montag-, Mittwoch- und Freitagnachmittag verbrachte sie zwei Stunden in der Stadtbibliothek von Sunnydale, wo sie Schulkindern etwas vorlas. Manchmal waren diese Kids ziemlich wild. Aber sie freuten sich immer, eine Geschichte zu hören, und Pepper verließ die Bibliothek jedes Mal mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ihre Geschichten machten die Kinder glücklich, und das war alles, was sie sich je gewünscht hatte.
Aber ganz gleich, wie glücklich Pepper auch war, wenn sie die Bibliothek verließ, auf den Parkplatz ging und sich in ihr Auto setzte - sobald sie losfuhr, verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht. Denn dann fuhr sie immer zu ihrer richtigen Arbeitsstelle, zum Fish Tank. Was bedeutete, dass sie wieder die kalte, abweisende Maske der harten Frau aufsetzen musste, zu der die Bar sie gemacht hatte. Denn ihr glückliches Lächeln würde ihr dort nur als Schwäche ausgelegt werden.
Und so etwas wie Schwäche konnte sich Pepper nicht leisten.
Am Montagnachmittag las sie den Kids »Die sieben chinesischen Brüder« vor. Vor allem den Jungen gefiel diese Geschichte, weil alle Charaktere übernatürliche Kräfte hatten, wie Superhelden. Und sie waren eine Familie. Sie sorgten füreinander, hielten sich gegenseitig am Leben. Für Pepper war dies ein Wunschtraum, ebenso für viele der Kinder, denen sie vorlas.
Als sie die Bibliothek verließ, war kühler Wind aufgekommen, und Pepper fröstelte. Sie setzte sich in ihren Wagen, öffnete eine braune Papiertüte, die sie den Nachmittag über im Kühlschrank der Bibliothek aufbewahrt hatte, und verzehrte das Sandwich, das ihr ganzes Abendessen darstellte. Weißbrot mit Schinken, Schweizer Käse und Senf. Dann aß sie den Apfel, den sie mitgebracht hatte, und warf den Kern in die Tüte.
Anschließend ließ sie
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