Die Daemonin des Todes
Weg zu Festbanketten oder mitternächtlichen Stelldicheins. Veronique hatte selbst ein Dutzend Einladungen in ihrem Handtäschchen. Aber heute Nacht hatte sie Wichtigeres zu tun. Sobald sie Marcello den Wölfen vorgeworfen hatte, würde sie ihre Meister in die Welt holen.
Als sie die Jägerin und ihren Wächter entdeckte, murmelte sie Marcello zu: »Wo ist unsere Kutsche?«
Marcello mit seiner dunklen Haarmähne und dem Schnurrbart schnippte mit den behandschuhten Fingern und rief: »Di Rimini!« Das war ihr absurder, erfundener Familienname.
Der Kutscher reagierte sofort, und die Kutsche rollte auf sie zu. Im selben Moment rissen die Jägerin und der Wächter ihre Kreuze hoch.
Mit einem Knurren stieß Veronique den unglückseligen Marcello in ihre Richtung, lenkte sie so ab, sprang in die Kutsche und befahl dem Kutscher, loszufahren.
Angela wollte sich auf den Vampir stürzen, aber Peter hielt sie zurück. »Mach keine Szene«, murmelte er. »Es sind zu viele Zeugen hier, und er ist nicht wichtig.«
Sie seufzte verärgert und nickte.
Sie fuhren mit ihrer Privatkutsche zur Villa und nutzten den sechs Kilometer langen Heimweg, um sich zu lieben. Die ganze Zeit dachte Peter an die verlorene Lucia, und sein Rachedurst verwandelte sich dabei in sinnliche Begierde.
Als sie die Villa erreichten, führte Peter Angela ins Haus. Er schenkte zwei Gläser Brandy ein. Sie war sichtlich frustriert. Er auch.
Dann entdeckte er etwas auf seinem Schreibtisch. Er nahm einen Kandelaber, trat an den Tisch und keuchte vor Überraschung: Jacques de Molay: Mon Histoire sur des Vampires.
»Was ist?«, fragte Angela.
Peter antwortete nicht. Er vergaß sogar völlig, dass sie da war. Den Rest der Nacht las er die Geschichte von Jacques de Molay und der Vampirin Veronique.
Ich habe ein Werk gelesen, schrieb er später in dieser Nacht in sein Wächtertagebuch, das einem die Haare zu Berge stehen lässt. Es handelt von der Vampirin Veronique, die eine wahre Unsterbliche ist.
An einem Kanal im ärmsten Viertel von Venedig stand ein verfallener Palazzo, der einst einem reichen Herzog gehört hatte. Aber durch mehrere Kriege war sein Haus verarmt und untergegangen, und der Palazzo war nicht mehr als eine Ruine. Der Name des Herzogs war längst in Vergessenheit geraten.
Im großen Boudoir des Gebäudes, zwischen korinthischen Säulen mit abblätternder Vergoldung, auf einem schachbrettartig gemusterten Marmorboden, geschwärzt vom Alter und vom Schmutz, inmitten zerbrochener vergoldeter Spiegel und verrotteter Brokatstühle, beugte sich Veronique über die sich windende Gestalt ihres erwählten Gefäßes und rief die Drei-die-eins-sind in die Welt. Nach den vielen Jahrhunderten, in denen sie versucht hatte, die Meister des Triumvirats in ihrer ursprünglichen Form auf Erden zu manifestieren, hatte sie endlich das Geheimnis entdeckt. Sie mussten getrennt in die Welt geboren und dann auf der anderen Seite wieder vereinigt werden. Endlich würde der
Wille ihrer Meister erfüllt werden, und sie würden sie großzügig belohnen. Sie hatten ihr das Geschenk der wahren Unsterblichkeit gemacht, aber wenn sie das Triumvirat weiter enttäuschte, konnten sie ihr dieses Geschenk jederzeit wieder wegnehmen. Doch jetzt hatte sie endlich einen Weg gefunden.
Schweißperlen glitzerten auf Veroniques Stirn. Sie war erschöpft und wütend.
Der nackte Vampir, der sich in einem Delirium der Agonie auf dem Boden wand, sang mit ihr in der alten Sprache. Aber nichts geschah. Das Triumvirat erschien nicht.
Was machen wir falsch?, fragte sie sich zornerfüllt und zutiefst enttäuscht.
Dann sprang krachend die Tür des Palazzos auf, und die Jägerin stellte sich Veronique und ihren Gefolgsleuten zum Kampf. Sie war allein.
In diesem Moment schloss sich der Mund des Vampirs, der als Gefäß auserwählt war. Er bäumte sich auf. Sein Unterleib schwoll an. Die Zeit war gekommen!
Ohne zu zögern stieß die Jägerin Veronique aus dem Weg. Ein bärtiger Vampir griff die Jägerin an, aber sie trieb ihn mit ein paar Schlägen und Tritten zurück. Dann den nächsten und den übernächsten.
Sie blieb innerhalb des magischen Runenpentagons stehen und rammte dem Gefäß einen Pflock ins Herz.
Die halb geborenen Drei-die-eins-sind kreischten, als der Vampir explodierte.
»Nein!«, schrie Veronique. Sie rief ihre Lakaien herbei und nahm die Verfolgung der Jägerin auf.
Angela hatte einen Gondoliere gemietet, einen Mann, der ihr und Peter schon oft als Agent
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