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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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gewußt. Die ›Ruhmestat‹ von Kalisch ist vom MfS bestimmt nicht ausposaunt worden. Auch unser Amt hat über diesen Topfall nie etwas berichtet.«
    »Aber wie ist es möglich, daß Kalisch bei der Sondertronic einsteigen konnte«, erkundigte sich Freiberg. »Die machen doch ähnliche Sachen – nur eben für die NATO.«
    »Der Kalisch war – rheinisch gesprochen – en Schnäppche. Sein Wissen Ost durfte er beim Bundesamt abladen und sein technisches Know-how bei der Sondertronic für den Westen aktivieren. Also ein doppelter Gewinn. Mit dem Segen aus Köln geht so etwas leise und glatt über die Bühne.«
    Kommissarin Lette stöhnte auf. »Meine Kollegen werden mir gestatten, daß ich verwirrt bin. Wir wollen einen Mord aufklären und stochern plötzlich in einem Stasi-Nest herum. Hoffentlich sind wir damit nicht auf der falschen Fährte.«
    Sörensen lehnte sich zurück und meinte in seiner bedächtigen Art: »Das kann natürlich sein; aber vergeßt nicht, daß der Tote vom Bismarckturm ein MfS-Oberst war.«
    Freiberg überlegte laut: »Könnten die Leute mit dem Rauschgifthandel zu tun haben, und könnte es sein, daß einer von der alten Seilschaft nicht oder nicht mehr mitmachen wollte? Den haben sie dann – aus ihrer Sicht folgerichtig – ausgeknipst. Mit der Makarow können alle umgehen, und so ein Werkzeug im Kühlschrank zu haben ist kein Kunststück.«
    Sörensen schenkte Sherry nach. »Auch das ist denkbar. Noch etwas, über alle Frauen in eurem Spiel ist nichts bekannt. Das gilt nicht nur für Hartensteins Lebensgefährtin, sondern auch für Ellen Munskau, Silke Marino und – Köln hat auch das geprüft – Beate Randolf. Das muß aber nichts bedeuten, da im Bundesamt für Verfassungsschutz nur die Hauptamtlichen erfaßt sind. Von den über einhunderttausend inoffiziellen Mitarbeitern des MfS und den Offizieren im besonderen Einsatz der Hauptverwaltung Aufklärung hat man bisher nur einige enttarnt.«
    »Mein Gott, klingt das kompliziert. Warum sagt man hier nicht einfach ›IM‹ und ›OibE‹ – so richtig mit ›eu‹? Diese Begriffe kennt doch inzwischen jeder«, warf Kommissarin Lette ein und fügte mit einem Seufzer hinzu: »Mir wäre allerdings wohler, wenn ich bei diesem Fall außen vor bleiben könnte. Der läßt zu sehr meine Seele flattern.«
    »Ich hätte auch lieber einfache Antworten auf unsere Fragen gehört, verehrter Kollege Sörensen«, sagte Freiberg mit einem gezwungenen Lächeln und stand auf. »Gleichwohl dankt das 1. Kommissariat herzlich für den Exkurs in die jüngste deutsche Vergangenheit.«
    Sörensen brachte seine Kollegen zur Tür. »Gern geschehen – ich danke euch für den Abschiedsbesuch. Wir haben uns wirklich nett unterhalten. Aber bitte kein Wort von dem Gespräch schriftlich festhalten. – Monsieur Maigret möchte seinen Ruhestand frei und unbehelligt genießen.«

 
    14
     
     
     
    Kriminalhauptmeister Lupus Müller hatte gar nicht erst geklingelt. Er wußte, daß der Pressemann um diese Zeit noch schlief, denn für Mauser hatte die Morgenstunde nicht Gold im Munde, sondern Blei im Arsch. Er hatte sein Fotolabor in der ersten Etage eines Altbaus im Bonner Norden. Von der Maxstraße aus ließen sich im Umkreis von ein paar hundert Metern bequem ein Dutzend Kneipen abgrasen und Informationen sammeln.
    An der Tür hing ein Zettel mit dem Pfadfindermotto »Allzeit bereit«, also brauchte die Tür gar nicht erst abgeschlossen zu werden. Im Flur saß ein lebensgroßer Rabe aus Blech auf einer Stange. Er umkrallte eine spitze Tüte aus Metall, in der ein Klöppel hing. Der Schwanz des Vogels war durch eine Lederkordel verlängert. Jeder, der daran zog, hatte nicht nur Mauser, sondern gleich das ganze Haus alarmiert.
    Lupus hatte den Vogel in Bewegung gesetzt, und der Ruf des Raben drang in Mausers Höhle, wie er die winzige Bude nannte, in der er aß und schlief, wenn er nicht auf Tour war oder im Labor hantierte.
    »Da hat wer geklingelt«, vernahm Lupus eine Frauenstimme.
    »Reinkommen!« rief Mauser. Er sah seinen Besucher – und schlug die Bettdecke neben sich hoch. Die Frau, die sich darunter ganz klein gemacht hatte, stieß einen erschreckten Laut aus.
    »Hau ab, Mädchen, die Polizei ist da!« scheuchte Mauser sie hoch.
    Blitzschnell räumte die dunkle Schöne der Nacht ihr Lager, griff nach Jeans, Pulli und Schuhen – und verschwand.
    Mauser winkte ihr nach; dann strich er die Decke um sich herum glatt. »Die sind wir los. Und was willst du, Lupus? Du

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