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Die Dame aus Potsdam

Titel: Die Dame aus Potsdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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man den falschen Propheten vertraut hat – und woher sollen wir wissen, was eure Heilslehren taugen?«
    Freiberg war erschüttert von diesem plötzlichen Ausbruch. Fräulein Kuhnert stand leise auf, um ihr Stenogramm in die Maschine zu übertragen.
    »Hab’ ich zuviel gesagt?« fragte Angelika Lette besorgt. »Aber dein Gespräch mit Sörensen hat bei mir die Sicherungen durchbrennen lassen.«
    »Die Kuhnert ist in Ordnung. Mach dir keine Sorgen.«
    Das Klingeln des Telefons entspannte die Atmosphäre. Sörensen meldete sich. »Ihr kommt am besten zu mir rauf; es gibt einige interessante Neuigkeiten.«
    Im Dienstzimmer des Leiters des Kommissariats »Staatsschutz«, das dem Polizeipräsidenten direkt unterstand, herrschte eine ganz ungewöhnliche Ordnung. Nur zwei oder drei dünne Akten lagen auf dem Schreibtisch. Sörensen war wie stets elegant gekleidet: grauer Anzug, rotgemusterte Krawatte, weißes Hemd. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Jean Gabin wurde er »Maigret« genannt. Er ließ seine Gäste in der Sitzgruppe für Besucher Platz nehmen und stellte drei Gläser auf den Tisch. »Ein Sherry kann wohl nicht schaden; wir haben einiges zu besprechen. Oder lebt unsere Kollegin aus Potsdam promillefrei?«
    »Nur da, wo es verordnet ist!«
    »Sie müssen wissen«, erläuterte Sörensen, »daß mich meine Mitarbeiter vor ein paar Tagen mit vielen Büchern und reichlich Spirituosen in den Ruhestand verabschiedet haben. Am Monatsende ist meine Dienstzeit abgelaufen. Das heute – ich meine nicht den Sherry, sondern die Anfrage in Köln – ist wohl meine letzte Amtshilfe für das 1. Kommissariat. Und ich habe brisante Nachrichten. – Prost!«
    »Auf den Ruhestand!« erwiderte Freiberg.
    »Und immerwährende Gesundheit!« ergänzte Angelika Lette.
    »Danke! – Nun will ich euch nicht länger auf die Folter spannen; also der Reihe nach: Stefan Munskau, der ehemalige Handelsattache, war Hauptmann im MfS und als solcher schon erkannt, bevor von Überläufern nach der Wende die Namen der Stasi-Akteure auf Disketten in Köln abgeliefert wurden. Vorwerfbares Verhalten wird ihm nicht unterstellt. Seine Frau Ellen hat für die Ständige Vertretung Ost ein Gästehaus besorgt und muß als besonders vertrauenswürdig gegolten haben. Nur so läßt sich auch die Zustimmung zur Eheschließung erklären. Köln vermutet, ohne dafür Beweise zu haben, daß sie eine informelle Mitarbeiterin war.
    Hartenstein, der Autozubehörhändler, war Major in der Hauptabteilung XX, Sicherung des Staatsapparats. Ihr wißt, das waren die ganz scharfen Hunde, die alles observiert und archiviert haben, was ihnen vor die Augen kam. Der Mann hat sich gleich nach dem Mauerfall im Westen als freier Unternehmer niedergelassen. Sein Laden floriert bestens – scheint mit Schwarzgeld aus der geplünderten Stasi-Kasse ausgestattet worden zu sein. Hartenstein hält ständigen Kontakt zum Distel-Club Potsdam; wahrscheinlich ein Treff der alten Kameraden. Über seine Lebensgefährtin Mühlberg ist nichts bekannt.«
    Freiberg pfiff durch die Zähne. »Manch dünne Hunde haben einen dicken Schwanz, würde Lupus dazu sagen.«
    »Wo steckt denn der robuste Kriminalist?« fragte Sörensen.
    »Der exploriert beim Immobilienhandel Munskau.«
    »Daran tut er gut! Und nun die Delikatesse aus Köln: Diplomingenieur Bernd Kalisch ist ein hochrangiger Überläufer aus der ehemaligen Ständigen Vertretung Ost. Er hat sich zwei Jahre vor der Wende unter Mitnahme aller greifbaren Geheimsachen in den Westen abgesetzt. Der Mann aus der Hauptabteilung III des MfS war für die gesamte Lauschelektronik der Vertretung zuständig, also für die Abhörung von Autotelefonen der westdeutschen Politiker bis zum NATO-Netz. Kalisch hat durch seine Absetzbewegung zum Klassenfeind für Wochen den ganzen Ostladen lahmgelegt. Die mußten alles umrüsten. Sein Vorgesetzter beim MfS in Berlin wurde in die Wüste geschickt.«
    Freiberg und seine Kollegin aus Potsdam tranken in einem Zug die Gläser leer. »Das ist stark!« sagte der Kommissar.
    »Mich wundert nur, daß sich die anderen Ehemaligen mit einem Überläufer an einen Tisch gesetzt haben, selbst wenn es zum Essen war«, äußerte Kommissarin Lette. »Das paßt so gar nicht zum Ehrenkodex der Ehemaligen des MfS.«
    »Das ist in der Tat verwunderlich«, sagte Sörensen. »Aber die Zeiten haben sich geändert; Stefan Munskau dürfte keinen Anlaß haben, in ollen Kamellen herumzukramen, und Hartenstein hat von allem wahrscheinlich nichts

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