Die Dame aus Potsdam
einen Einzelfahrschein. Peters hielt sich im Hintergrund; er hatte stets eine gültige Streifenkarte in der Tasche und konnte, ohne Zeit zu verlieren, in jedes öffentliche Verkehrsmittel einsteigen. Die Fahrt ging nach Süden in Richtung Bad Godesberg. Doch schon an der dritten Haltestelle stieg Beate Randolf aus. Peters hatte den Eindruck, daß sie die Strecke kannte. Bis zur ehemaligen Ständigen Vertretung der DDR waren es nur wenige Meter. Doch sie widmete dem Haus keinen Blick. Im Geschwindschritt eilte sie die Wurzerstraße hinunter. Peters mußte den Abstand vergrößern und gelegentlich die Straßenseite wechseln, denn die Wurzerstraße, die bis zum Rhein hinunterführte, verlief schnurgerade.
Rechts ging es zum Schaumburger Hof. Hier, »Unter den Linden«, hatten schon Arndt, Freiligrath, Kinkel und Schurz das Rheinpanorama genossen. Doch Beate Randolf zog es zur anderen Seite in Richtung Apostolische Nuntiatur. Vor einem Gebäudekomplex, der nach teuren Eigentumswohnungen aussah, blickte sie sich noch einmal vergewissernd um und drückte dann auf den Klingelknopf. Nach drei, vier Sekunden beugte sie sich zum Mikrofon der Haussprechanlage; kurz darauf sprang die Tür auf, und die Zielperson hatte sich den Augen des Beobachters entzogen.
Peters umrundete die Wohnanlage, ging zurück zum Eingang und überprüfte die Namen auf der Klingelleiste. Vom Freiherrn bis zum rheinischen Adel der Schmitz war hier alles vertreten. Peters schrieb die Namen sämtlicher Hausbewohner in sein Notizbuch.
Es war gar nicht einfach, einen geeigneten Standort für die weitere Beobachtung zu finden, doch der offene Garten eines weit von der Straße zurückliegenden Hauses bot hinreichende Deckung. Jetzt hieß es warten, vielleicht Stunden. Mit dem Handfunkgerät bekam er von hier aus keine Verbindung, und eine Telefonzelle war nicht in der Nähe. Unterstützung ließ sich also nicht schnell herbeiholen.
Über eine Stunde hatte Peters sich zwischen den Büschen herumgedrückt, als das Tor der Tiefgarage mit einem Summen nach oben schwenkte. Heraus fuhr ein grauer BMW der 700er Reihe mit einem Mann am Steuer. Neben ihm saß Beate Randolf. Während das Garagentor noch langsam zurückglitt, war der Wagen schon um die nächste Straßenecke verschwunden. Peters stand zwar gut gedeckt, aber so ungünstig, daß er das Nummernschild des Fahrzeugs nicht erkennen konnte. Wütend stieß er einen Stein vor sich her und beschimpfte sich selbst und das entschwundene Auto. Wie ein begossener Pudel würde er vor seinen Chef treten müssen, um über das Ergebnis der Beobachtungen zu berichten.
Erst kurz vor der amerikanischen Kirche im US-Viertel stand die nächste Telefonzelle. Peters hielt es nicht für angezeigt, die Leitstelle zu informieren, um eine Fahndung nach dem BMW auszulösen; erst wollte er sich mit Kommissar Freiberg abstimmen.
Fräulein Kuhnert meldete sich. »Der Chef ist mit Hauptkommissarin Lette bei Doktor Wenders«, erklärte sie. »Er will die Kollegin aus Potsdam vorstellen und über den Fall berichten. Sörensen hat ein paar interessante Hinweise gegeben. Auch Lupus hat bei Immobilien-Munskau einiges erfahren.«
»Und ich stehe da wie der letzte Depp«, fluchte Peters. »Die Randolf ist mir in Plittersdorf entwischt. Sie hat einen Kerl in der Wohnanlage besucht und ist mit ihm im Auto auf und davon. Das ging alles so schnell, daß ich nicht einmal die Fahrzeugnummer erkennen konnte. Die Namen der Hausbewohner habe ich notiert.«
»Dann gib mal durch, was du hast. Ich kümmere mich drum.«
Peters blätterte mit einer Hand in seinem Notizbuch.
»Schreib auf: Gustav Fehlenbach, Freiherr von Steinbergen, Winnie Schmitz, Bernd Kalisch, Fritz…«
»Halt! Hast du Bernd Kalisch gesagt?«
»Ja. Was ist mit ihm?«
»Deine Mission ist erfolgreicher als du denkst. Kalisch und Frau Randolf kennen sich von früher her. – Du mußt so schnell wie möglich hier sein. Der Chef will gleich alle in 306 haben, um die Ergebnisse zusammenzufassen und die Marschlinie zu besprechen. Wo bist du genau?«
»Ich warte vor der amerikanischen Kirche an der Kennedyallee.«
»Okay, Ahrens fährt sofort los, um dich abzuholen. Bis gleich.«
Peters pfiff erleichtert durch die Zähne, als er den Hörer auflegte.
»Wo Singer sich herumtreibt, weiß ich nicht«, sagte Fräulein Kuhnert, als sich ihre Mannen und die Kommissarin aus Potsdam in Freibergs Zimmer um den Besprechungstisch versammelt hatten. »Vielleicht ist er in der
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