Die Dame aus Potsdam
näher.«
»AfA«, antwortete Lupus lakonisch. Auf die fragenden Blicke erklärte er: »Absetzung für Abnutzung – so oder ähnlich nennen das die königlichen Kaufleute, wenn ein Gerät seinen Wert verliert und abgeschrieben werden muß. Sollte hier jemand aus einem Geschäft ausgestiegen sein oder es abgelehnt haben, einzusteigen? Das mögen die Bosse und Paten ganz und gar nicht; vor allem dann nicht, wenn sie schon eine gemeinsame Vergangenheit haben. – Hat das 8. K. irgendwelche Erkenntnisse? Die haben doch eine gute Nase für Hasch, Aitsch und Koks.«
Freiberg schüttelte den Kopf. »Bei Rausch und Sex gibt’s keine Erkenntnisse. Aber das bedeutet nur, daß der Bonner Raum von dieser Dealer-Crew bisher nicht berührt worden ist.«
Lupus war aufgestanden und sah einige Sekunden zum Siebengebirge hinüber; dann setzte er sich wieder. Das war immer ein Zeichen von besonderer Anspannung. Er überlegte laut: »Fest steht doch, daß der Tote – sagen wir lieber: der lebende Valentin Randolf – schon früher mit Hartenstein und Munskau verhandelt hat. Munskaus Frau Ellen war oder tat sehr erstaunt, als er mir das erzählt hat. Es muß beträchtlicher Druck ausgeübt worden sein, denn sonst hätte er keine Spende in der saftigen Höhe von zehntausend Mark für den Distel-Club in Potsdam hingeblättert. Ich nehme an, Munskau hat sich freigekauft. Als er gegangen war, sind Hartenstein und Randolf noch in der Theaterklause geblieben, um etwas zu besprechen. Seltsam das Ganze.«
»Von Hartenstein wissen wir am wenigsten«, stellte Kommissarin Lette fest. »Ich werde mich in Potsdam wohl mal um die Mitglieder des Clubs und um das Spendenaufkommen kümmern müssen. – Morgen fahre ich zurück, aber erst am Nachmittag. Vorher steht noch eine Bonn-Besichtigung auf dem Programm. Da ich nun schon hier bin, werde ich auch die Chance nutzen, die alte Hauptstadt kennenzulernen; denn Dienstreisen werden bei uns nicht immer so fix bewilligt.«
»Ein prima Vorsatz«, stellte Freiberg fest. »Aber zurück zu dem, was wir wissen. Das Tatmotiv könnte in der gemeinsamen Vergangenheit oder in den neueren Geschäftsbeziehungen – oder in beidem liegen.«
»Vergiß die Liebe nicht!« merkte Lupus an. »Kalisch und die Ehefrau des Toten haben ihre alte Beziehung wieder aufleben lassen, und – peng! – der Ehemann ist nicht mehr im Wege. Wie angenehm.«
Freiberg zögerte, der Überlegung zuzustimmen. »Das ist mir zu dick aufgetragen. Die beiden Liebenden sehen sich jahrelang nicht, treffen sich am Sonnabend beim Essen und schießen schon in der übernächsten Nacht den Ehemann über den Haufen. Das geht mir einfach zu schnell. Wo war eigentlich Silke Marino in dieser Zeit?«
»Bei ihrem amerikanischen Werbebumser, denke ich«, antwortete Lupus spontan.
»Möglich – aber genau wissen wir’s nicht. Hier muß nachrecherchiert werden. Angelika, könntest du herausbekommen, ob die Marino zu Oberst Randolf Beziehungen hatte?«
Die Kommissarin seufzte. »Das wird ja immer komplizierter. Aber ob zwischen den beiden etwas gelaufen ist, müßte sich klären lassen. Don Carlos kennt einige Quellen, aus denen er schöpfen kann. Es ist am besten, wenn ich ihn sofort anrufe.«
Wider Erwarten gelang es Fräulein Kuhnert schon bei der ersten Anwahl nach Potsdam, bis zum Vorzimmer durchzukommen. Da Noack nicht im Hause war, bat Kommissarin Lette die Sekretärin, ihm das Interesse der Bonner Kripo an Silke Marino zu übermitteln. Es wäre sehr hilfreich zu wissen, ob sie eine Beziehung zu dem ermordeten Valentin Randolf gehabt hatte.
Freiberg nickte zufrieden. »Gut. Vielleicht kommt uns dann die große Erleuchtung, und wir finden ein Motiv. Übrigens noch etwas: Die Fahrt nach Holland zur Prinsengracht wegen der Krawatte des Toten können wir uns schenken. Ob er dort gekauft hat oder nicht, ist jetzt wohl unerheblich. Alsdann, Freunde, laßt uns in die Kantine gehen.«
15
Der Anruf ging am Donnerstag um 7.12 Uhr bei der Leitstelle im Polizeipräsidium Potsdam ein. Er kam vom Pförtner am Nebeneingang der DEFA-Filmstudios.
Auf das Meldewort »Polizei Potsdam« sprudelte der Mann los: »Hier bei mir ist Frau… Moment, Helene, wie heißt du richtig?« Aus dem Hintergrund ließ sich Gemurmel vernehmen. »Also, Frau Wester sagt, daß da in der Garage am Haus Nummer 416a, daß in der Rosenstraße eine tote Frau im Auto sitzt – und am Auspuff ist ein Schlauch. Das ist ‘ne provisorische Doppelgarage, wo sie – ich
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