Die Dame aus Potsdam
war; sie rückten noch näher zusammen. Freiberg fühlte sich wohl in Angelikas Nähe – sie bot viel Körper. Doch mit dem dritten Glas Bier kam die Müdigkeit. Ahrens dagegen wirkte noch recht aufgekratzt. Er hielt sich an Cola. Schließlich wollte er fahrtüchtig sein, wenn es noch einmal ernst werden sollte.
Freiberg winkte zur Theke hinüber, um zu zahlen.
»Laß ja das Portemonnaie stecken!« fuhr Angelika ihn an. »Ihr seid meine Gäste – hier zahle ich!«
Wie ein Nilpferd schob sich plötzlich der stramme Fritz durch die Menge. »Kommissarin!« dröhnte er über den Tisch. »Anruf vom Präsidium – der Hörer liegt auf dem Regal.«
Als Angelika Lette zurückkam, sagte sie: »Das war’s dann wohl! Dein Freund Lupus hat eine feine Art, den Werktätigen den Feierabend und die Nachtruhe zu rauben. Wir müssen noch mal raus!« Sie wühlte in ihrer Handtasche. »Hier, Pfefferminzbonbons gegen den Bierdunst.«
Freiberg war wieder hellwach. »Was ist los?«
»Bei der Leitstelle ist die Nachricht eingegangen, daß Bernd Kalisch und ein Passagier – vermutlich Beate Randolf – mit dem Flugzeug unterwegs sind.«
»Die genießen wohl ihre vorgezogenen Flitterwochen und…« frotzelte Freiberg. Doch die weitere Bemerkung blieb ihm im Halse stecken, als die Kollegin fortfuhr: »Kalisch ist gestern zunächst nach Hannover geflogen und hat sich von dort nach Schönhagen abgemeldet.«
»Und?« fragte Ahrens.
»Und?« äffte die Kommissarin ihn nach. »Ihr müßt noch verdammt viel Geographie dazulernen. Der Flugplatz Schönhagen liegt etwa fünfundzwanzig Kilometer Luftlinie südöstlich von hier. Die Strecke über Beelitz nach Potsdam schafft man mit dem Auto in einer halben Stunde.«
»Verflucht!« Freiberg sprang auf und zog Ahrens mit hoch. »Dann waren die beiden Luftikusse ja ganz in der Nähe, als Silke Marino ermordet worden ist.«
»Genau! Von der Villa Editha am Griebnitzsee bis zum Ereignisort sind es vielleicht zwei oder zweieinhalb Kilometer. Das läßt sich bequem zu Fuß machen.«
»Vielleicht sind sie auch heute nacht in ihrem Liebesnest am See.«
Die Kommissarin warf ihrem Kollegen noch einen Pfefferminzdrops zu. »Frischer Atem – frischer Mut! Das wäre ja eine feine Blamage, wenn mein SEK den Distel-Club umstellt, um Hartenstein, der möglicherweise mit der Sache nichts zu tun hat, zu kassieren, und die beiden richtigen Vögel säßen lustig pfeifend auf der Stange. Ich glaube, wir müssen schnellstens zum Anwesen Randolf.«
»Ich laufe schon vor und mache den Wagen klar«, rief Ahrens. »Ich warte am Haupteingang!« Weg war er.
Der Wirt riß die Tür auf und verabschiedete seine Gäste. Er sonnte sich in dem Gefühl, ein paar interessante Leute in seinem Haus gehabt zu haben.
Der Straßenverkehr war abgeebbt. Wie ein drohender Finger stand das Interhotel Potsdam gegen den Nachthimmel, doch die Nikolaikirche zur Linken wurde nicht mehr vom Rohbaumonster des neuen Theaters erdrückt.
Ahrens wartete schon vor dem Präsidium mit geöffneten Türen. Freiberg kletterte wortlos nach hinten; Angelika Lette setzte sich auf den Beifahrersitz, um den Weg zu weisen. »Erst über die Lange Brücke, dann einen Haken nach rechts und gleich scharf links die Fahrbahn kreuzen.«
Ahrens fuhr vorsichtig, denn hier war ihm alles fremd. Nach der dritten oder vierten Weisung »die nächste Straße rechts, links und wieder nach rechts«, hatte er völlig die Orientierung verloren.
»Links von uns liegt der Park mit dem Schloß Babelsberg«, erläuterte die Kommissarin. »Prinz Wilhelm wollte auch seinen Sommersitz haben und hat ihn hier bekommen. Erst sollte es so etwas wie Schloß Windsor sein, aber dann wurde es eine Art Ritterburg. Der Betrachter muß schon viel Phantasie haben, um das schön zu finden; aber es ist ein Zeugnis der Geschichte, und man hat es nach dem Krieg wenigstens nicht gesprengt.« Nach einer scharfen Rechtskurve sagte sie: »Noch ein paar hundert Meter. Das ist die Villa – stop!«
Ahrens trat auf die Bremse und blockierte mit dem Mercedes die Ausfahrt.
Die Straße wurde von wenigen Laternen nur schwach erhellt. Die herunterhängenden Äste der Bäume brachen das Licht. Im Haus war es dunkel. Auch in den benachbarten Gebäuden schien man zu schlafen.
»Hast du deine Waffe dabei?« wandte sich Kommissar Freiberg an Ahrens. »Angelikas und meine sind pflichtgemäß im Safe eingeschlossen.«
Ahrens griff zum Schulterholster, zog die 9-mm-Sig-Sauer heraus und lud durch. »Alles
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