Die Dame aus Potsdam
klar.« Damit steckte er die Pistole zurück.
Hauptkommissarin Lette hatte schon auf den Klingelknopf gedrückt, doch im Haus blieb es still, auch aus der Sprechanlage drang kein Ton.
Die beiden Zugänge waren verschlossen, und der schmiedeeiserne Gartenzaun glänzte schwach im Licht der Laternen. An der Seite zur Garage fehlte aus einem nicht erkennbaren Grund ein gutes Dutzend Zaunspitzen.
»Wir müssen rüber!« sagte Freiberg. »Los, Chefin! Ahrens sichert, und ich mache die Leiter – du kannst in meine Hände treten.«
Da war nun wirklich kein Leichtgewicht zu stemmen. Angelika Lette, die Starke, brachte schon einige Pfunde auf die Waage. Beim Anheben glitten stramme Beine vor Freibergs Augen nach oben. Mit einem mutigen Satz verschwand die Kollegin auf der anderen Seite im Staudenbeet. Freiberg folgte und ließ sich von Ahrens die Waffe geben. »Danke – du bleibst draußen und versuchst zu sichern. Raus darf hier keiner.«
Auch kräftige Faustschläge gegen die Tür lockten niemanden hervor; soweit erkennbar, wurde auch keine Gardine bewegt. Die rückwärtige Tür zur Garage war nur angelehnt. Freiberg warf einen Blick hinein – ein Fahrzeug stand nicht drin.
Vom Griebnitzsee krochen Nebelschwaden den Hang herauf und komponierten mit dem Licht der Sterne eine Gartenatmosphäre, die den Freunden englischer Kriminalromane ein gruseliges Behagen bereitet hätte. Jenseits des Wassers bellte ein Hund.
Kommissarin Lette klopfte an die Fenster im Erdgeschoß. Keine Resonanz. »Die sind ausgeflogen. Jetzt stehen wir dumm da; und ohne Durchsuchungs- oder Haftbefehl gewaltsam ins Haus einsteigen – das lassen wir lieber.«
»Vielleicht können wir am Flugplatz Schönhagen mehr erfahren«, sagte Freiberg.
»Jetzt, nach Mitternacht? Kaum! Da ist nur tagsüber Flugbetrieb, und ein Nachtwächter kann uns bestimmt keine Auskunft geben.«
Als sie über den Zaun zurückgeklettert waren, trat Ahrens aus dem Schatten einer Linde. »Hier hat sich nichts getan.«
»Drinnen auch nicht«, erklärte Freiberg und gab ihm die Waffe zurück. »Jetzt ab nach Hause! In der Früh fahren wir zum Flugplatz; wir müssen feststellen, ob Kalisch hier war und wie lange er geblieben ist.«
Hauptkommissarin Lette hatte im Präsidium im Bereitschaftsraum übernachtet. Trotz der Erschöpfung war es kein erholsamer Schlaf gewesen. Immer wieder drängte sich die Frage in den Vordergrund, ob es richtig war, die Bereitstellung des Sondereinsatzkommandos anzuordnen, Oberkommissar Hurler hatte festgestellt, daß sich Hartenstein noch im Gästehaus des Distel-Clubs am Jungfernsee aufhielt. Dort habe man jetzt schon die zweite Nacht kräftig gefeiert, so daß mit einer frühen Abreise wohl kaum zu rechnen sei. Wie die Kommissarin ihre Kollegen vom SEK kannte, waren sie jetzt schon dabei, die Positionen zu beziehen. Nein, es wäre falsch, zu diesem Zeitpunkt in die laufende Aktion einzugreifen. Der Befehl zum Zugriff war letztlich von ihr abhängig; dadurch behielt sie auch in den nächsten Stunden alles in der Hand.
Mit dieser Überzeugung war sie schließlich eingeschlafen, um – wie sie glaubte – nur Sekunden später wieder geweckt zu werden. Nach kurzer Katzenwäsche aß sie ein Wurstbrot und trat pünktlich um halb acht vor den Haupteingang. Ahrens wartete schon mit dem Wagen. Freiberg saß wieder auf dem Rücksitz. Sie stieg zu und fragte: »Na, ausgeschlafen?«
»Ich habe einen Kopf wie der dolle Fritz«, brummte Freiberg. »Vier Stunden Schlaf machen so richtig schön müde. Gibt’s was Neues in deinem Laden?«
»Hartenstein ist noch am Jungfernsee, und das SEK ist dorthin unterwegs.«
»Du hast die Aktion nicht abgebrochen?«
»Nein. Es kann so oder so falsch oder richtig sein – es kommt immer auf den Standpunkt an. Also bleibt es erst einmal dabei. Wenn dann alles für die Katz war, brauche nur ich den Kopf hinzuhalten. Jetzt also ab nach Schönhagen. Wir nehmen die B 2 über Michendorf-Beelitz. Der Weg ist schneller als die Abkürzung durch die Dörfer.«
In der Höhe des Brauhausberges deutete sie aus dem Fenster. »Da oben liegt der ›Kreml‹. In dem Bau war schon alles drin: Kriegsschule, Heeresarchiv und die SED-Bezirksleitung. Jetzt bringt erstmals der Landtag von Brandenburg demokratische Duftstoffe ein.«
In Beelitz ging’s scharf links ab und dann über die Bundesstraße nach Osten. Wald, Sand und Kiefern – und immer wieder Wald und Sand, nur eine schwache Besiedelung und wenig Fahrzeugverkehr. In der
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