Die Dame aus Potsdam
den Kalisch auf den neuen Dienstherrn einzuschwören. Diese Mitteilung von der übergelaufenen Silke Marino muß für den amerikanischen Geheimdienst einiges wert gewesen sein. Als das Starlet auftragsgemäß mit Kalisch ins Bett gestiegen ist, hat ›P‹ aufs falsche Pferd gesetzt, genauer auf die falsche Stute, denn die erhielt ihr Futter längst aus dem CIA-Stall. Eine Geschichte wie aus dem Bilderbuch des kalten Krieges, und wir hängen mittendrin. Jetzt haben wir ein paar neue Theorien, aber reichen die aus, um mit der geballten Staatsmacht den Hartenstein einzukassieren?«
»Wohl kaum«, sagte Freiberg leise. »Solange die Fingerabdruckergebnisse noch ausstehen, müssen wir uns gedulden. Sollten die identisch sein, müssen wir sofort zupacken können.«
Hauptkommissarin Lette reckte sich. Die Zeit des Überlegens war vorbei. »Also bereiten wir den Einsatz vor. Wenn Hartenstein und die Leute vom Distel-Club gemeinsame Sache machen, kann das eine hitzige Angelegenheit werden. Das sind alles Männer, die sowohl mit der Makarow als auch mit der Kalaschnikow umgehen können. Und entwischen darf uns der Kerl auf gar keinen Fall!«
»Ich würde das mit kleinem Einsatz machen«, schlug Freiberg vor. »Nur wir beide fahren hin und nehmen den Mann fest.«
»Nein«, beharrte die Kommissarin auf ihrem Standpunkt. »Kein unnötiges Risiko; ich werde doch meinen neuen Kollegen nicht abknallen lassen. Wenn die Fingerabdrücke übereinstimmen, haben wir es mit einem kaltblütigen Verbrecher zu tun, der genau weiß, daß er für den Mord an Silke Marino lebenslänglich bekommt. Er wird alles versuchen, sein Fell zu retten. Also beschlossen und verkündet: Ich werde für morgen vormittag das Sondereinsatzkommando anfordern. Die machen am Jungfernsee den Laden von Meierbeer dicht und holen Hartenstein raus – tot oder lebendig.«
»Mußt du nicht den Leiter Einsatz einschalten?«
»Ja sicher, das werde ich auch, aber erst wenn wir Gewißheit durch die Fingerabdrücke haben. Mit den Vorbereitungen will ich ihn nicht belasten. Eine Blamage muß ich allein verkraften.«
Kommissar Freiberg wunderte sich, mit welcher Konsequenz seine Kollegin die Sache in die Hand nahm.
»Entschuldige mich für eine Viertelstunde«, sagte sie und stand auf. »Ich muß mit den zuständigen Leuten reden. Die sollen nicht das Gefühl haben, daß wir von einem Wessi ferngesteuert werden. Ohne deine Anwesenheit kann ich mit den Uniformierten offener sprechen. Danach gehen wir zum ›Strammen Fritz‹. Ich habe einen verdammen Durst.«
19
Durch das Telefongespräch mit Freiberg hatte Lupus sein Selbstvertrauen wiedergewonnen, aber irgendwo hakte noch etwas. Die Kommissarin im Ehrenamt und Peters hatten dem Gespräch aufmerksam zugehört. Singer streunte durch die Landschaft; er wurde auch nicht vermißt.
»Die Potsdamer trinken Kaffee«, sagte Lupus vorwurfsvoll. »Dabei denkt Ahrens an dich, und ich würde ja an die Dame aus Potsdam denken, wenn…«
Fräulein Kuhnert stand wortlos auf, um die Kaffeemaschine in Gang zu setzen. Zehn Minuten später dampfte das Gebräu in den Tassen.
Lupus seufzte wohlig. »Da wird man wieder Mensch.«
»Seit du dir das Rauchen abgewöhnt hast, bist du süchtig nach der schwarzen Bohne.«
»Die Summe aller Laster bleibt sich gleich – und wer der Liebe entbehrt, greift schnell zur Flasche«, erklärte Lupus nachsichtig. »Denk an die Worte eines erfahrenen Mannes, wenn dein Ahrens so weit…«
»Du bist mal wieder nicht zu zügeln. Sag uns lieber, wo die Dame steckt, die dir jetzt im Kopf herumspukt.«
Lupus stieß seine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger vor: »Ja, wo steckt Beate Randolf?«
Peters hob hilflos die Schultern. »Seit sie mir in der Nähe der Nuntiatur mit Kalisch entwischt ist, fehlt jede Spur. Ich nehme an, sie ist in Aachen – da wollte sie ja schließlich hin.«
»Verdammt! Diese Ungewißheit muß ein Ende haben«, erklärte Lupus und stellte energisch seine Kaffeetasse auf dem Tisch ab. »Und zwar sofort. Los, Peters, wir fahren zum Flugplatz Hangelar. Ich will wissen, was der Luftakrobat Kalisch wirklich treibt. Vielleicht kutschiert er mit der charmanten Witwe durch die Gegend und lacht sich ins Fäustchen, während wir ihn suchen. Die Verfassungsschützer können uns viel erzählen, eigentlich kann man doch nur sich selber trauen!«
»Ich denke, du willst in Ruhe Kaffee trinken«, beschwerte sich Fräulein Kuhnert. »Die Kanne ist noch halb voll.«
»Schon
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