Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Ohne von ihr Liebe zu verlangen. Mit gutem Grund übrigens. Du hast ihre Liebe nicht verdient. Unter uns, Duny, ich weiß nicht, wie du ihr in die Augen sehen willst.«
»Der Zweck heiligt die Mittel«, sagte Emhyr tonlos. »Was ich tue, tue ich für die Nachwelt. Um die Welt zu retten.«
»Wenn die Welt auf diese Weise gerettet werden soll« – der Hexer hob abrupt den Kopf –, »dann soll diese Welt lieber untergehen. Glaub mir, Duny, es wäre besser, wenn sie unterginge.«
»Du bist blass«, sagte Emhyr var Emreis beinahe sanft. »Reg dich nicht so auf, du kannst jeden Augenblick ohnmächtig werden.«
Er trat von dem Schrank weg, rückte einen Sessel zurecht, setzte sich. Dem Hexer war in der Tat schwindlig.
»Der Eiserne Igel«, begann der Kaiser ruhig und leise, »sollte ein Mittel sein, meinen Vater zur Zusammenarbeit mit dem Usurpator zu zwingen. Es war nach dem Umsturz; mein Vater, der gestürzte Kaiser, war gefangen und wurde gefoltert. Er ließ sich jedoch nicht brechen, also versuchte man es auf andere Weise. Vor den Augen meines Vaters verwandelte mich ein gedungener Zauberer in ein Scheusal. Der Zauberer fügte aus eigenem Antrieb etwas hinzu. Nämlich Humor. ›Eimyr‹ heißt in unserer Sprache ›Igel‹.
Mein Vater ließ sich nicht brechen und wurde ermordet. Ich aber wurde mit Spott und Hohn im Walde ausgesetzt und mit Hunden gejagt. Ich kam mit dem Leben davon; ich wurde nicht sehr eifrig verfolgt, weil nicht bekannt war, dass der Zauberer gepfuscht hatte – nachts kehrte die menschliche Gestalt zu mir zurück. Zum Glück kannte ich ein paar Personen, auf deren Treue ich mich verlassen konnte. Und ich war damals, dir zur Kenntnis, dreizehn.
Ich musste außer Landes gehen. Dass ich die Rettung vor dem Zauberer im Norden suchen musste, jenseits der Marnadal-Treppe, las aus den Sternen ein leicht verrückter Astrologe namens Xarthisius. Später, als ich schon Kaiser war, habe ich ihm dafür einen Turm und die Ausrüstung dazu geschenkt. Seinerzeit musste er auf Kredit arbeiten.
Was in Cintra geschehen ist, weißt du; es dir noch einmal vorzukauen, wäre Zeitverschwendung. Ich bestreite jedoch, dass Vilgefortz etwas damit zu tun hatte. Erstens kannte ich ihn damals noch nicht, zweitens hatte ich eine starke Aversion gegen Magier. Ich kann sie übrigens bis heute nicht leiden. Ach, was mir da noch einfällt: Als ich den Thron erlangte, nahm ich mir den Zauberer vor, der sich dem Usurpator angedient und mich vor den Augen meines Vaters verunstaltet hatte. Auch ich tat mich mit Sinn für Humor hervor. Der Magierhieß Asaddh, was in unserer Sprache fast genauso klingt wie ›gebraten‹.
Doch genug der Abschweifungen, zurück zur Sache. Vilgefortz besuchte mich insgeheim in Cintra kurz nach der Geburt Ciris. Er gab sich als Vertrauter von Leuten aus, die mir in Nilfgaard noch immer treu waren und gegen den Usurpator konspirierten. Er bot Hilfe an und bewies alsbald, dass er dazu imstande war. Als ich noch immer misstrauisch nach seinen Beweggründen fragte, erklärte er ohne Umschweife, er rechne auf meine Dankbarkeit. Auf Wohltaten, Privilegien und Macht, die ihm der große Kaiser von Nilfgaard zuteil werden ließe. Also ich. Der mächtige Herrscher, der die halbe Welt regieren werde. Der einen Nachkommen zeugen werde, dem die ganze Welt untertan wäre. An der Seite solch großer Herrscher, erklärte der Zauberer ungeniert, gedenke er selbst hochzusteigen. Dann holte er in Schlangenhaut gebundene Folianten hervor und empfahl ihren Inhalt meiner Aufmerksamkeit.
Auf diese Weise erfuhr ich von der Prophezeiung. Ich erfuhr vom Schicksal der Welt und des Weltalls. Ich erfuhr, was ich tun muss. Und ich kam zu dem Schluss, dass der Zweck die Mittel heiligt.«
»Na klar.«
Emhyr überhörte die Ironie. »In Nilfgaard lief es für mich unterdessen immer besser. Meine Parteigänger errangen immer größeren Einfluss, schließlich, als sie eine Gruppe von Linienoffizieren und ein Kadettenkorps hinter sich hatten, entschlossen sie sich zum Staatsstreich. Dazu wurde jedoch ich benötigt. In eigener Person. Der wahre Erbe von Thron und Krone des Kaiserreichs, der echte Emhyr aus dem Blute der Emreis. Ich sollte so etwas wie eine Standarte der Revolution sein. Unter uns gesagt, viele von den Revolutionären hofften, ich würde weiter nichts sein als das. Diejenigen unter ihnen, die noch am Leben sind, können sich bis heute nicht mit ihrem Irrtum abfinden.
Aber, wie gesagt, Abschweifungen beiseite.
Weitere Kostenlose Bücher