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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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sich damit abgefunden, nahmen es stoisch, sogar resigniert hin. Nichts, glaubten sie, könnte sie noch überraschen.
    Sie irrten sich.
    Sie wurden von der Galeere getrieben, mit den Fesseln klirrend, auf die Mole und dann auf eine Uferstraße, zwischen ein Spalier bewaffneter Söldner. Es gab dort auch Zivilisten, solche, deren flinke Augen hin und her huschten, von Gesicht zu Gesicht sprangen, von Silhouette zu Silhouette.
    Selektionäre, dachte Faoiltiarna. Er irrte sich nicht.
    Darauf, dass sein entstelltes Gesicht unerkannt bleiben könnte, durfte er natürlich nicht hoffen. Er tat es auch nicht.
    »Herr Isengrim Faoiltiarna? Der Eiserne Wolf? Was für eine schöne Überraschung! Bitte, bitte!«
    Die Soldaten zerrten ihn aus dem Spalier.
    »Va faill!«, rief ihm Coinneach Dá Reo nach, der von anderen, die Ringkragen mit dem redanischen Adler trugen, identifiziert und ausgesondert worden war. »Se’ved, se caerme dea!«
    »Sehen werdet ihr euch«, zischte der Zivilist, der Faoiltiarna selektiert hatte, »aber wohl in der Hölle. Auf den warten sie dort schon, in Drakenborg. Halt, stehen bleiben! Ist das nicht zufällig Herr Riordain? Greift ihn!«
    Insgesamt wurden ihrer drei herausgezogen. Nur drei. Faoiltiarna begriff und begann plötzlich – zu seiner Überraschung   – Furcht zu empfinden.
    »Va faill!«, rief den Kameraden Angus Bri Cri zu, der aus derReihe gezogen worden war, und ließ die Fesseln klirren. »Va faill, fraeren!«
    Ein Soldat stieß ihn brutal weiter.
    Sie wurden nicht weit geführt. Sie gingen nur bis zu einem von den Schuppen nahe der Anlegestelle. Gleich beim Hafenbecken, über dem sich ein Wald von Masten wiegte.
    Der Zivilist gab ein Zeichen. Faoiltiarna wurde zu einem Pfosten gestoßen, unter einen Balken, über den ein Strick geworfen wurde. An dem Strick wurde gerade ein eiserner Haken befestigt. Riordain und Angus wurden auf zwei auf dem Fußboden stehende Hocker gesetzt.
    »Herr Riordain, Herr Bri Cri«, sagte der Zivilist kalt. »Ihr fallt unter die Amnestie. Das Gericht hat entschieden, Gnade walten zu lassen.
    Der Gerechtigkeit muss jedoch Genüge getan werden«, fügte er hinzu, ohne eine Reaktion abzuwarten. »Und dafür, dass es so geschieht, haben die Familien derer bezahlt, die ihr ermordet habt. Das Urteil ist gefällt.«
    Riordain und Angus konnten nicht einmal aufschreien. Von hinten wurden ihnen Schlingen um die Hälse geworfen, sie wurden gewürgt, mitsamt den Hockern umgeworfen, über den Boden geschleift. Als sie mit den gefesselten Händen vergeblich versuchten, die in den Hals einschneidenden Stricke wegzureißen, knieten sich ihnen die Schergen auf die Brust. Messer blitzten und stießen zu, Blut spritzte. Jetzt vermochten nicht einmal die Schlingen ihre Schreie zu ersticken, ihr Kreischen, das die Haare zu Berge stehen ließ.
    Es dauerte lange. Wie immer.
    »Euer Urteil, Herr Faoiltiarna«, sagte der Zivilist, während er langsam den Kopf wandte, »ist mit einer zusätzlichen Klausel versehen worden. So einer Art Zugabe   …«
    Faoiltiarna hatte nicht vor, auf die Zugabe zu warten. Die Klammer der Handschellen, an der der Elf schon seit zwei Tagen und zwei Nächten gearbeitet hatte, fiel jetzt von seinemHandgelenk, wie mit einem Zauberstab berührt. Ein schrecklicher Hieb mit der schweren Kette betäubte die beiden Söldner, die ihn bewachten. Faoiltiarna trat im Sprung dem nächsten ins Gesicht, schlug mit den Handschellen den Zivilisten nieder, stürzte sich geradezu auf das spinnwebenverhangene Fenster des Schuppens, flog mitsamt Rahmen und Fensterkreuz hindurch, ließ an Nägeln Blut und Kleidungsfetzen zurück. Krachend schlug er auf den Brettern der Mole auf. Er überschlug sich, warf sich herum und klatschte ins Wasser zwischen Fischerboote und Barkassen. Die immer noch am rechten Handgelenk befestigte schwere Kette zog ihn hinab. Faoiltiarna kämpfte. Mit aller Kraft kämpfte er um sein Leben, an dem ihm, wie er noch vor kurzem geglaubt hatte, überhaupt nichts mehr lag.
    »Fasst ihn!«, überschlugen sich die aus dem Schuppen stürmenden Soldaten. »Fasst ihn! Tötet ihn!«
    »Dort!«, schrien andere, die auf der Mole gelaufen kamen. »Dort, dort ist er hochgekommen!«
    »Ins Boot!«
    »Schießen!«, brüllte der Zivilist auf und versuchte mit beiden Händen, das Blut zu stoppen, das ihm reichlich aus der Augenhöhle floss. »Tötet ihn!«
    Armbrustsehnen schnellten. Schreiend stiegen die Möwen auf. Das schmutzige grüne Wasser zwischen den

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