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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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wimmelte, gelang es, auf Rotfuchs herüberzuspringen und sich in seinem Pelz einzurichten.
    »Was ist mit diesem blöden Kater?«
    »Den hat bestimmt jemand vergiftet. Oder verzaubert.«
    »Pfui, ist das ekelhaft! Der stinkt vielleicht, der Mistkerl! Jag ihn von der Treppe weg, Weib!«
    Rotfuchs spannte sich und öffnete lautlos das blutige Mäulchen. Er spürte die Fußtritte und Besenstöße schon nicht mehr,mit denen ihm die Hausfrau gerade für elf Jahre Mäusefangen dankte. Vom Vorhof verjagt, krepierte er in einem von Seifenwasser und Urin schäumenden Rinnstein. Er krepierte und wünschte dabei diesen undankbaren Menschen, dass sie auch krank würden. Dass sie ebenso wie er leiden würden.
    Sein Wunsch sollte alsbald in Erfüllung gehen. Und das in großem Maßstab. In wirklich großem Maßstab.
    Die Frau, die Rotfuchs vom Vorhof getreten und gekehrt hatte, blieb stehen, schob den Rock hoch und kratzte sich an der Wade unterm Knie. Es juckte.
    Ein Floh hatte sie gebissen.
     
    Die Sterne über dem Elskerdeg funkelten intensiv. Die Funken des Lagerfeuers verblassten vor ihrem Hintergrund.
    »Weder der Friede von Cintra«, sagte der Elf, »noch gar die pompöse Parade in Nowigrad können als Zäsuren und Meilensteine gelten. Denn was sind das für Begriffe? Die politische Führung kann nicht mit Hilfe von Verwaltungsakten und Dekreten Geschichte machen. Ebensowenig kann die politische Führung die Geschichte beurteilen, Zensuren verteilen und in Schubladen einordnen, obwohl keine politische Führung in ihrem Hochmut das zugibt. Eine der hervorstechendsten Manifestationen eurer Arroganz ist die sogenannte Geschichtsschreibung, der Versuch, Meinungen und Urteile über, wie ihr sagt, ›vergangene Geschehnisse‹ abzugeben. Das ist typisch für euch Menschen und folgt aus der Tatsache, dass die Natur euch mit einem ephemeren, einem Insekten-, einem Ameisenleben bedacht hat, einer lächerlichen mittleren Lebensspanne unter hundert Jahren. Und ihr versucht, die Welt an euer Insektendasein anzupassen. Dabei ist die Geschichte doch ein Prozess, der ununterbrochen abläuft und niemals aufhört. Man kann die Geschichte nicht in Abschnitte einteilen, von hier bis da, von da bis dort, von einem Datum zum anderen. Man kann die Geschichte nicht durch königlichen Erlass bezeichnen und noch wenigerverändern. Nicht einmal, wenn man einen Krieg gewonnen hat.«
    »Ich werde keinen philosophischen Disput anfangen«, erklärte der Pilger. »Wie gesagt, ich bin ein einfacher und nicht sehr eloquenter Mann. Ich erlaube mir jedoch, zwei Dinge anzumerken. Erstens bewahrt das insektenkurze Leben uns Menschen vor Dekadenz, es bestärkt uns darin, das Leben zu schätzen, intensiv und schöpferisch zu leben, um jeden Augenblick auszunutzen und sich daran zu erfreuen. Und wenn es sein muss, das Leben ohne Bedauern für eine Sache zu opfern. Ich spreche und denke als Mensch, aber genauso haben ja die langlebigen Elfen gedacht, als sie bei den Kommandos der Scioa’tael in den Kampf gezogen und in den Tod gegangen sind. Falls ich nicht recht habe, bitte ich, mich zu korrigieren.«
    Der Pilger wartete einen angemessenen Moment lang ab, doch niemand korrigierte ihn.
    »Zweitens«, fuhr er fort, »scheint mir, dass die politische Führung, obwohl sie nicht vermag, die Geschichte zu verändern, mit ihren Taten eine recht gute Illusion erzeugen kann, den Anschein erwecken, sie vermöchte es. Die Führung hat dazu Methoden und Werkzeuge.«
    »O ja«, erwiderte der Elf und wandte das Gesicht ab. »Da hast du ins Schwarze getroffen, Herr Pilger. Die Führung hat Methoden und Werkzeuge. Solche, mit denen man nicht diskutieren kann.«
     
    Die Galeere stieß mit der Bordwand an die von Algen und Muscheln bewachsenen Pfähle. Es wurden Taue geworfen. Es erklangen Rufe, Flüche und Kommandos.
    Die Möwen zankten sich um die Abfälle, die im grünen, schmutzigen Wasser des Hafens schwammen. Das Ufer wimmelte von Menschen. Größtenteils in Uniform.
    »Ende der Reise, meine Herren Elfen«, sagte der NilfgaarderKonvoiführer. »Wir sind in Dillingen. Aussteigen! Wir werden hier erwartet.«
    In der Tat. Sie wurden erwartet.
    Keiner der Elfen – am wenigsten Faoiltiarna – gab einen roten Heller auf die Versicherungen bezüglich fairer Prozesse und Amnestien. Die Scioa’tael und die Offiziere der Brigade »Vri hedd « gaben sich keinerlei falschen Hoffnungen hin, welches Schicksal sie jenseits der Jaruga erwarten würde. Zum größten Teil hatten sie

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