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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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von der Göttin lossagen. Die Hl. jedoch lachte seiner und riet ihm, sich zu entfernen.
    Darauf ließ jener sie in die Folterkammer zerren, sie am ganzen Leibe mit spitzen eisernen Haken reißen und ihr die Seiten mit Kerzen sengen. Doch wenngleich sie solcherart gequält wurde, bewies die Hl. im sterblichen Körper eine unsterbliche Geduld. Schon wurden die Henker müde und wichen in großer Furcht, doch Wilmerius ermahnte sie gestreng und hieß sie, sie sollten mit dem Foltern fortfahren und mächtig Hand anlegen. So hoben sie an, die Hl. Filipa mit glutheißen Blechen zu brennen, ihr die Gelenke auszurenken und des Weibes Brüste mit Zangen zu reißen. Und unter solchen Qualen verschied sie, ohne etwas gestanden zu haben.
    Den Wilmerius aber, der ein Ketzer war und Unzucht trieb, wie bei den Hl. Vätern geschrieben steht, ereilte späterhin solcherart Strafe, dass Läuse und Würmer ihn bei lebendigem Leibe so befielen und in Beschlag nahmen, dass er ganz verfaulte und davon krepierte. Und stank wie ein Hund, so dass man ihn ohne Begräbnis in den Fluss werfen musste.
    Daher der Hl. Filipa Lobpreis wird und die Märtyrerkrone, der Großen Mutter Göttin Ruhm auf immerdar, uns aber Lehre und Warnung, amen.
     
    Das Leben der Hl. Filipa, der Märtyrerin vom Mons Calvus,
    von alters her von den Märtyrerschreibern niedergelegt, im
    Dreiberger Brevier versammelt, aus vielen Hl. Vätern
    entnommen, die sie in ihren Episteln rühmen

Das elfte Kapitel
    Sie ritten Galopp, wie wahnsinnig, halsbrecherisch. Sie ritten durch Tage, in denen der Frühling pulsierte. Die Pferde flogen pfeilschnell dahin, die Menschen aber richteten die überm Acker gebeugten Köpfe und Rücken auf und schauten ihnen nach, unsicher, was sie gesehen hatten – Reiter oder Phantome?
    Sie ritten durch Nächte, dunkel und nass vom warmen Regen, die Menschen aber erwachten, setzten sich in den Betten auf, blickten voller Furcht um sich, kämpften mit dem bedrückenden Schmerz, der in Kehle und Brust anwuchs. Die Menschen schraken auf, wenn sie Fensterläden klappern, aufgeweckte Kinder schreien, Hunde heulen hörten. Sie pressten die Gesichter an die Fensterhäute, unsicher, was sie gesehen hatten – Reiter oder Phantome?
    In Ebbing begannen Gerüchte von drei Dämonen zu kursieren.
     
    Die drei Reiter tauchten plötzlich auf, wer weiß wie, woher und durch welches Wunder, und überraschten Hinkefuß vollends, so dass ihm keine Chance zur Flucht blieb. Um Hilfe konnte er ebenso wenig rufen. Von den äußersten Gebäuden der Ortschaft trennten den Krüppel gut fünfhundert Schritt. Und selbst wenn es näher gewesen wäre, war kaum damit zu rechnen, dass einBewohner von Eifers sich um den Hilferuf geschert hätte. Es war die Zeit der Mittagsruhe, die in Eifers für gewöhnlich vom frühen Vormittag bis zum frühen Abend reichte. Aristoteles Bobeck, genannt Hinkefuß, ein hiesiger Bettler und Philosoph, wusste nur zu gut, dass die Leute von Eifers zur Zeit der Mittagsruhe auf nichts zu reagieren pflegten.
    Es waren drei Berittene. Zwei Frauen und ein Mann. Der Mann hatte weiße Haare und trug ein Schwert auf dem Rücken. Eine von den Frauen, erwachsen, in Schwarz und Weiß gekleidet, hatte rabenschwarze Haare, zu Locken gekräuselt. Die jüngere, deren glattes Haar aschfarben war, hatte auf der linken Wange eine hässliche Narbe. Sie saß auf einer wunderschönen Rappstute. Hinkefuß hatte den Eindruck, so eine Stute schon einmal gesehen zu haben.
    Es war diese Jüngere, die ihn als Erste ansprach. »Bist du von hier?«
    Hinkefuß begann, mit den Zähnen zu klappern. »Ich habe nichts verbrochen! Ich sammle hier nur Lorchel! Habt Erbarmen, tut einem Versehrten nichts   …«
    »Bist du von hier?«, wiederholte sie, und ihre grünen Augen funkelten bedrohlich.
    Hinkefuß zog den Kopf ein. »Ja, gnädige Frau«, stammelte er. »Von hier, klar doch. Ich bin hier geboren, in Birka, will sagen: in Eifers. Und hier werd ich gewiss auch sterben müssen   …«
    »Voriges Jahr, im Sommer und Herbst, warst du da hier?«
    »Wo hätte ich denn sein sollen?«
    »Antworte, wenn ich frage.«
    »Ich war hier, Euer Gnaden.«
    Die Rappstute schüttelte den Kopf, spielte mit den Ohren. Hinkefuß spürte stechend wie Nadeln die Blicke der beiden anderen – der Schwarz- und des Weißhaarigen. Diesen Weißhaarigen fürchtete er am meisten.
    »Vor einem Jahr«, fuhr das Mädchen mit der Narbe fort, »im Monat September, genauer am neunten September, im

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