Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
Barkassen wallte von Bolzen auf.
     
    »Vivant!« Die Parade zog sich hin, die Menge der Einwohner von Nowigrad ließ schon Anzeichen von Überdruss und Heiserkeit erkennen. »Vivant! Sie leben hoch!«
    »Hurra!«
    »Ruhm den Königen! Ruhm!«
    Philippa Eilhart schaute sich um, vergewisserte sich, ob niemand lange Ohren machte, beugte sich zu Dijkstra hinüber.
    »Worüber willst du mit mir reden?«
    Der Spion blickte ebenfalls um sich. »Über das Attentat auf König Wisimir im Juli vorigen Jahres.«
    »Wie bitte?«
    »Der Halbelf, der diesen Mord verübt hat« – Dijkstra senkte die Stimme noch weiter   –, »war keineswegs verrückt, Phil. Und er hat nicht allein gehandelt.«
    »Was sagst du da?«
    »Leiser.« Dijkstra lächelte. »Leiser, Phil.«
    »Nenn mich nicht Phil. Hast du Beweise? Was für welche? Woher?«
    »Du würdest dich wundern, wenn ich dir sagte, woher. Wann kann ich mit einer Audienz rechnen, Euer Hochwohlgeboren?«
    Philippa Eilharts Augen glichen zwei schwarzen, bodenlosen Seen. »In Kürze, Dijkstra.«
    Die Glocken läuteten. Die Menge brachte heiser Hochrufe aus. Die Truppen marschierten vorbei. Die Blütenblätter von vielerlei Blumen bedeckten wie Schnee das Pflaster von Nowigrad.
     
    »Du schreibst noch?«
    Ori Reuven zuckte zusammen und machte einen Klecks. Er diente Dijkstra seit neunzehn Jahren, hatte sich aber immer noch nicht an die geräuschlosen Bewegungen des Chefs gewöhnt, an seine Art, wer weiß woher und wie zu erscheinen.
    »Guten Abend, ä-häm, Euer Gna…«
    » Die Leute aus dem Schatten
« – Dijkstra las die Titelseite des Manuskripts, die er ohne Federlesens vom Tisch genommen hatte.
» Geschichte der königlichen Geheimdienste, niedergeschrieben von Oribasius Gianfranco Paolo Reuven, Magister   …
Ach, Ori, Ori. So ein alter Kerl, und solche Dummheiten   …«
    »Ä-häm   …«
    »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden, Ori.«
    Reuven schaute ihn erstaunt an.
    »Siehst du, treuer Freund«, fuhr der Spion fort, ohne abzuwarten,bis der Sekretär etwas zusammenkrächzte, »ich bin auch alt, und wie sich zeigt, auch dumm. Ich habe ein Wort zu einer Person gesagt. Nur zu einer. Und nur ein Wort. Es war ein Wort zu viel und eine Person zu viel. Spitz die Ohren, Ori. Hörst du sie?«
    Ori Reuven riss verwundert die Augen auf und schüttelte den Kopf.
    Dijkstra schwieg einen Moment lang. »Du hörst sie nicht«, stellte er dann fest. »Aber ich höre sie. In allen Korridoren. Die Ratten laufen durchs Schloss von Dreiberg, Ori. Sie kommen hierher. Sie kommen auf weichen Rattenpfoten.«
     
    Sie tauchten aus dem Schatten auf, aus dem Dunkel. Schwarz, maskiert, geschickt wie Ratten. Die Wachposten und Leibwächter in den Vorzimmern fielen ohne einen Seufzer unter den schnellen Stößen der Stilette mit den schmalen, kantigen Klingen. Das Blut floss über die Fußböden des Schlosses von Dreiberg, breitete sich auf den Fliesen aus, befleckte das Parkett, sickerte in die teuren Vengerberger Sofas.
    Sie kamen durch alle Korridore, und hinter ihnen blieben Leichen zurück.
    »Er ist dort«, sagte einer und zeigte. Seine Stimme dämpfte ein schwarzer Schal, mit dem er das Gesicht bis hinauf zu den Augen umwickelt hatte. »Dort ist er hineingegangen. Durch die Kanzlei, in der Reuven arbeitet, dieser hüstelnde Alte.«
    »Dort gibt es keinen Ausgang.« Die Augen des anderen, der der Anführer war, funkelten in den Öffnungen der schwarzen Samtmaske. »Das Zimmer hinter der Kanzlei ist blind. Es hat nicht einmal Fenster.«
    »Alle anderen Korridore sind besetzt. Alle Türen und alle Fenster. Er kann uns nicht entkommen. Er ist in der Falle.«
    »Vorwärts!«
    Die Tür gab unter den Fußtritten nach. Die Stilette blitzten.
    »Tod!!! Tod dem blutigen Henker!«
    »Ä-häm?« Ori Reuven hob die kurzsichtigen, tränenden Augen vom Papier. »Was ist? Was kann ich, ä-häm, für die Herren tun?«
    Die Mörder stießen mit Schwung die Tür zu Dijkstras Privatgemächern ein, liefen wie Ratten darin umher, drangen in jeden Winkel vor. Abgerissene Wandteppiche, Bilder und Täfelungen fielen zu Boden, Stilette schlitzten Vorhänge und Tapisserien auf.
    »Er ist nicht hier!«, schrie einer, der in die Kanzlei gestürzt kam. »Er ist nicht hier!«
    »Wo?«, blaffte der Anführer, über Ori gebeugt, und durchbohrte ihn mit Blicken aus den Öffnungen der schwarzen Maske. »Wo ist dieser blutige Hund?«
    »Er ist nicht hier«, antwortete Ori Reuven ruhig. »Das seht ihr doch selbst.«
    »Wo

Weitere Kostenlose Bücher