Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Jawohl, der Sukkubus schadet niemandem. Und in letzter Zeit hört man irgendwie überhaupt nichts mehr von ihm. Ich glaube, er hat irgendwie Angst vor Euch bekommen, Herr Hexer. Welchen Sinn hat es dann, ihn zu verfolgen? Denn Euch, Herr, mangelt es ja nicht an Barem. Und wenn Euch etwas fehlen sollte …«
»Auf meinem Konto bei den Cianfanelli«, sagte Geralt mit steinernem Gesicht, »könnte etwas eingehen. Für den Hexer-Rentenfonds.«
»So wird es sein.«
»Und dem Sukkubus wird kein Härchen im Blondschopf gekrümmt.«
»Dann lebt wohl.« Beide Weingüter standen auf. »Speist in Ruhe, wir wollen nicht stören. Heute ist ein Feiertag. Tradition. Und bei uns, in Toussaint, ist die Tradition …«
»Ich weiß«, sagte Geralt. »Heilig.«
Die Gesellschaft am Nachbartisch lärmte beim nächsten Yule-Orakel, zu dem aus dem weichen Inneren kleiner Hefeküchlein gerollte Kügelchen und die Gräten eines verspeisten Karpfens verwendet wurden. Getrunken wurde dabei viel. Der Wirt und die Schankmädchen jagten wie gesengt mit Humpen hin und her.
»Der berühmte Sukkubus«, bemerkte Reynart, während er sich noch Kohl nahm, »eröffnete die denkwürdige Serie von Hexerkontrakten, die du in Toussaint übernommen hast. Danach ging es schnell, und du konntest dich vor Kunden kaum noch retten. Merkwürdig nur, dass ich mich nicht entsinnen kann, welches Weingut dir als Erstes einen Auftrag erteilt hat …«
»Da warst du nicht dabei. Das war am Tag nach der Audienz bei der Fürstin. Bei der du übrigens auch nicht dabei warst.«
»Kein Wunder. Das war eine Privataudienz.«
»Von wegen privat.« Geralt lachte auf. »Daran nahmen an die zwanzig Personen teil, wobei ich die reglos wie Statuen dastehenden Lakaien nicht mitzähle, die minderjährigen Pagen und den gelangweilten Hofnarren. Unter denen, die ich mitzähle, waren Le Goff, der Kämmerer, der wie ein Zuckerbäcker aussieht und riecht, und ein paar Standesherren, die sich unter der Last ihrer goldenen Ketten krümmten. Ein paar Typen in Schwarz, Ratsherren, vielleicht auch Richter. Der Baron mit dem Stierkopf-Wappen, den ich im Caed Myrkvid kennengelernt habe. Natürlich auch Fringilla Vigo, eine Person, die der Fürstin sichtlich nahestand.
Und dazu wir, unsere ganze Truppe, einschließlich Milva in Männerkleidung. Ha, das ist falsch ausgedrückt, wenn ich von der ganzen Mannschaft spreche. Rittersporn war nicht bei uns. Rittersporn, oder eher Vicomte Soundso, saß auf einen Lehnstuhl gefläzt zur Rechten Ihrer Spitznasigen Gnaden Anarietta und spreizte sich wie ein Pfau. Wie ein echter Favorit.
Anarietta, Fringilla und Rittersporn waren die einzigen Personen, die saßen. Weiter wurde niemandem erlaubt, sich zu setzen. Dabei war ich schon froh, dass ich nicht knien musste.
Die Fürstin hörte sich meine Erzählung an, wobei sie mich zum Glück selten unterbrach. Als ich aber kurz die Ergebnisse der Gespräche mit den Druidinnen berichtete, rang sie die Hände in einer Geste, die ebenso ehrliche wie übertriebene Betrübnis andeutete. Ich weiß, dass das wie irgend so ein verdammtes Oxymoron klingt, aber glaub mir, Reynart, in ihrem Fall war es wirklich so.«
»Ach, ach«, sagte Fürstin Anna Henrietta händeringend. »Wie sehr habt Ihr uns doch bekümmert, Herr Geralt. Ich sage Euch wahrlich, unser Herz ist der Wehmut voll.«
Sie schniefte durch die spitze Nase, streckte die Hand aus, und Rittersporn legte augenblicklich ein Batisttüchlein mit Monogramm hinein. Die Fürstin tupfte sich mit dem Tuch beide Wangen ab, so, dass der Puder nicht abgewischt wurde.
»Ach, ach«, wiederholte sie. »Die Druiden wussten also nichts von Ciri? Sie waren nicht imstande, Euch Hilfe zu gewähren? War denn dann gar all Eure Mühe verloren und Euer Weg vergebens?«
»Vergebens gewiss nicht«, antwortete er überzeugt. »Ich gestehe, ich hatte darauf gezählt, von den Druiden irgendeine konkrete Information oder einen Hinweis zu erhalten, der wenigstens annähernd erklärt hätte, wieso alle Welt hinter Ciri her ist. Die Druiden konnten oder wollten mir jedoch nicht helfen, in dieser Hinsicht habe ich tatsächlich nichts erreicht. Aber …«
Er hielt für einen Moment inne. Nicht um der dramatischen Wirkung willen. Er überlegte, wie offen er vor dieser ganzen Zuhörerschaft sprechen durfte.
»Ich weiß, dass Ciri lebt«, sagte er schließlich trocken. »Wahr scheinlich ist sie verwundet worden. Sie schwebt noch immer in Gefahr. Doch sie
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