Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
einem Tablett mit Krammetsvögeln, legte ihr auf, dann füllte er den Pokal mit Wein. »Verzeiht«, sagte er. »Ich bin kein Höfling. Kann nicht unterhalten. Mit höfischem Gerede ist bei mir nicht viel los.«
»Ich« – Milva räusperte sich – »bin im Wald aufgewachsen. Ich weiß Stille zu schätzen.«
Fringilla fand unterm Tisch Geralts Hand und drückte sie kräftig. Geralt schaute ihr in die Augen. Er vermochte nicht zu erraten, was sich darin verbarg.
»Ich vertraue dir«, sagte er. »Ich glaube an deine ehrlichen Absichten.«
»Du lügst nicht?«
»Ich schwör’s beim Reiher.«
Der Stadtwächter musste sich wegen Yule ordentlich einen angetrunken haben, denn er ging schwankend, stieß mit der Hellebarde gegen die Fensterläden und verkündete laut, aber lallend, die Uhr habe schon zehn geschlagen, obwohl es in Wahrheit ein gutes Stück nach Mitternacht war.
»Reite allein nach Beauclair«, sagte Reynart de Bois-Fresnes unerwartet, sobald sie die Schenke verlassen hatten. »Ich bleibe in der Stadt. Bis zum Morgen. Mach’s gut, Hexer.«
Geralt wusste, dass der Ritter in der Stadt ein befreundetes Frauenzimmer hatte, dessen Mann viel in Geschäften unterwegs war. Sie hatten nie darüber gesprochen, weil Männer über derlei Dinge nicht sprechen.
»Mach’s gut, Reynart. Pass auf den Skoffin auf. Dass er nicht zu stinken anfängt.«
»Es ist Frost.«
Es war Frost. Die engen Straßen waren leer und finster. Das Mondlicht erhellte Dächer, funkelte auf den herabhängenden Eiszapfen, reichte aber nicht in die Tiefe der Gassen. Plötzes Hufeisen klangen auf dem Pflaster.
Plötze, dachte der Hexer, während er die Richtung zum Palast Beauclair einschlug. Eine hübsche kastanienbraune Stute, ein Geschenk von Anna Henrietta. Und von Rittersporn.
Er trieb das Pferd an. Er hatte es eilig.
Nach dem Festmahl trafen sich alle beim Frühstück, zu dem sie gewohnheitsmäßig in die Räume der Schlossküche gingen. Dort waren sie immer gern gesehen, wer weiß, warum. Immer fand sich dort für sie etwas Warmes, direkt aus dem Topf, aus der Pfanne oder vom Spieß, immer fanden sich Brot, Schmalz, eine Speckseite, Käse und sauer eingelegte Pilze. Nie fehlte es an ein, zwei Bechern mit einem weißen oder roten Erzeugnis der berühmten hiesigen Weingüter.
Sie gingen immer dorthin. Die ganzen zwei Wochen, die sie in Beauclair verbracht hatten. Geralt, Regis, Cahir, Angoulême und Milva. Nur Rittersporn frühstückte woanders.
»Ihm«, kommentierte Angoulême, während sie das Brot bestrich, »bringen sie das Griebenfett ans Bett! Und machen einen tiefen Diener!«
Geralt neigte zu der Annahme, dass es sich just so verhielt. Und just heute beschloss er, es zu überprüfen.
Er fand Rittersporn im Rittersaal. Der Dichter trug auf dem Kopf ein karminrotes Barett, groß wie ein Laib Beutelbrot, und am Körper ein im gleichen Ton gehaltenes Doublett, das reich mit Goldfäden bestickt war. Er saß auf einem Lehnstuhl, die Laute auf dem Knie, und beantwortete die Komplimente der Damen und Höflinge ringsum mit einem herablassenden Nicken.
Anna Henrietta war zum Glück nicht in Sicht. Also verletzte Geralt ohne zu zögern das Protokoll und schritt kühn zur Tat. Rittersporn bemerkte ihn sofort.
»Die Damen und Herren« – er blies sich auf und winkte wahrhaft königlich mit der Hand – »wollen uns allein lassen. Die Dienerschaft möge sich ebenfalls entfernen!«
Er klatschte in die Hände, und noch ehe das Echo verklungen war, waren sie im Rittersaal allein mit den Waffen, den Gemälden, den Rüstungen und dem starken Pudergeruch, den die Damen hinterlassen hatten.
»Es macht Spaß«, stellte Geralt ohne übertriebene Ironie fest, »sie so umherzuscheuchen, was? Das muss ein schönes Gefühl sein, mit einer einzigen herrischen Geste Befehle zu erteilen, mit einem einzigen Kopfnicken, einem monarchischen Runzeln der Brauen. Zu sehen, wie sie im Krebsgang zurückweichen und sich dabei vor dir wieder und wieder verbeugen. Ein netter Spaß. Was? Herr Favorit?«
»Willst du etwas Konkretes?«, fragte Rittersporn säuerlich. »Oder bloß quasseln?«
»Ich will etwas sehr Konkretes. Konkreter geht es nicht.«
»Also rede, ich höre.«
»Wir brauchen drei Pferde. Für mich, Cahir und Angoulême. Und zwei Packpferde. Insgesamt drei gute Reitpferde und zwei Packpferde. Die Packpferde, es können letzten Endes auch Maultiere sein, mit Proviant und Futter beladen. So viel wirst du deiner Fürstin doch wohl
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