Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
de Trastamara ist nicht für Höflichkeit bekannt. Oder für Eloquenz.«
»Das ist vielleicht auch besser so«, erwiderte Geralt leise. »Ein vor guten Manieren überquellender Höfling wäre schlimmer. Ich kenne Milva.«
»Bist du dir sicher?« Sie warf ihm einen raschen Blick zu. »Misst du sie nicht vielleicht nach deinem eigenen Maß? Welches übrigens ziemlich grausam ist?«
Er antwortete nicht, schenkte ihr stattdessen Wein ein. Und er kam zu dem Schluss, dass es höchste Zeit sei, gewisse Fragen zu klären.
»Du bist Zauberin, nicht wahr?«
»Bin ich«, gab sie zu und verbarg ganz geschickt ihre Verwunderung. »Woran hast du es erkannt?«
»Ich spüre die Aura.« Er ließ sich nicht auf Einzelheiten ein. »Und ich habe Übung.«
»Damit alles klar ist«, sagte sie nach einer Weile, »ich hatte nicht vor, jemanden zu täuschen. Ich bin aber nicht verpflichtet, meinen Beruf an die große Glocke zu hängen oder einen spitzen Hut und einen schwarzen Umhang zu tragen. Wozu sollen die Leute mit mir ihre Kinder schrecken? Ich habe ein Recht auf mein Inkognito.«
»Unbestreitbar.«
»Ich bin in Beauclair, weil sich hier, wenn nicht die größte, so doch die reichhaltigste Bibliothek der bekannten Welt befindet. Außer den Universitätsbibliotheken, versteht sich. Aber die Universitäten sind eifersüchtig, was den Zugang zu ihren Regalenbetrifft, hier jedoch bin ich eine Verwandte und Freundin Anariettas und darf alles.«
»Beneidenswert.«
»Während der Audienz hat Anarietta angedeutet, dass die Bücher einen für dich nützlichen Hinweis bergen könnten. Stör dich nicht an ihrem theatralischen Pathos. So ist sie nun einmal. Aber dass du in den Büchern etwas findest, ist wirklich nicht auszuschließen, was sage ich, es ist wahrscheinlich. Man muss nur wissen, was man sucht und wo.«
»In der Tat. Weiter nichts.«
»Die Begeisterung, die aus deinen Antworten spricht, ist wahrlich erhebend und macht Lust zur Konversation.« Sie kniff leicht die Augen zusammen. »Du traust mir nicht, nicht wahr?«
»Ich schwöre beim Reiher!« Ein junger Ritter am Ende des Hufeisens war aufgestanden und band sich einen Schal über ein Auge, den er von seiner Tischnachbarin erhalten hatte. »Ich gelobe, diesen Schal nicht abzunehmen, bis die Banditen vom Cervantes-Pass mit Stumpf und Stiel ausgerottet sind!«
Die Fürstin deutete mit einem großherrschaftlichen Neigen des brillantfunkelnden Diadems ihre Anerkennung an.
Geralt nahm an, Fringilla werde nicht auf das Thema zurückkommen. Er irrte sich.
»Du glaubst und traust mir nicht«, sagte sie. »Du hast mich doppelt schmerzhaft getroffen. Du zweifelst nicht nur daran, dass ich dir ehrlich helfen will, du glaubst obendrein auch nicht, dass ich es kann. Ach, Geralt! Du hast meinen Stolz und meinen Ehrgeiz ins Mark getroffen.«
»Höre …«
»Nein!« Sie hob Messer und Gabel, als wolle sie ihm damit drohen. »Entschuldige dich nicht. Ich kann keine Männer leiden, die sich entschuldigen.«
»Und was für Männer kannst du leiden?«
Sie kniff die Augen zusammen, und das Besteck hielt sie noch immer wie stoßbereite Dolche. »Die Liste ist lang«, sagtesie bedächtig, »und ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen. Ich erwähne nur, dass einen ziemlichen hohen Platz auf ihr solche Männer einnehmen, die bereit sind, für eine geliebte Person bis ans Ende der Welt zu gehen, ohne zu zögern, ohne Rücksicht auf Risiko und Gefahr. Und die nicht aufgeben, auch wenn es den Anschein hat, dass keine Aussicht auf Erfolg besteht.«
»Und die übrigen Positionen auf der Liste?«, konnte er sich nicht verkneifen zu fragen. »Die anderen Männer, die nach deinem Geschmack sind? Ebenfalls Verrückte?«
»Worin besteht denn echte Männlichkeit« – sie neigte kokett den Kopf –, »wenn nicht aus der richtigen Mischung von Klasse und Verrücktheit?«
»Damen und Herren, Barone und Ritter!«, rief der Kämmerer Le Goff laut, während er aufstand und mit beiden Händen einen gigantischen Pokal erhob. »Unter den gegebenen Umständen erlaube ich mir, einen Trinkspruch auszubringen: Auf die Gesundheit ihrer Allerhöchsten Durchlaucht Fürstin Anna Henrietta!«
»Glück und Gesundheit!«
»Hurra!«
»Hoch soll sie leben! Vivat!«
»Und jetzt, Damen und Herren« – der Kämmerer stellte den Pokal ab, machte eine feierliche Geste zu den Lakaien hin. »Jetzt die Magna Bestia!«
Auf einer Schale, die vier Knechte auf einer Art Bahre tragen mussten, kam in den Saal
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