Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Schweitzer begann heftig zu zittern, zu röcheln, zu pfeifen und zu knirschen. Dann war er still und regte sich nicht mehr.
Wasser tropfte von der Decke und von den Wänden.
»Bist du zufrieden, Regis?«
»Jetzt ja.«
»Also dann.« Der Hexer stand auf. »Mach hin, lauf und pack deine Sachen. Aber hurtig.«
»Das dauert bei mir nicht lange. Omnia mea mecum porto.«
»Was?«
»Ich habe nicht viel Gepäck.«
»Umso besser. In einer halben Stunde vor der Stadt.«
»Ich werde dort sein.«
Er hatte sie unterschätzt. Sie passte ihn ab. Er war selbst schuld. Statt sich zu beeilen, hätte er auf die Hinterseite des Palasts reiten und Plötze in dem größeren Stall lassen können, dem für die fahrenden Ritter, das Personal und die Dienerschaft, wo auch seine Mannschaft ihre Pferde hatte. Er tat es nicht, aus Eile und aus Gewohnheit benutzte er den Stall der Fürstin. Und er hätte sich denken können, dass es im fürstlichen Stall einen Zuträger geben musste.
Sie ging von Trennwand zu Trennwand und wühlte das Stroh auf. Sie trug einen kurzen Luchspelz, eine weiße Atlasbluse, einen schwarzen Reitrock und hohe Stiefel. Die Pferde schnaubten, sie spürten den von ihr ausstrahlenden Zorn.
»Bitte, bitte«, sagte sie bei seinem Anblick und bog die Reitgerte in der Hand. »Wir fliehen! Ohne Abschied. Denn der Brief, der sicherlich auf dem Tisch liegt, ist kein Abschied. Nicht nach dem, was uns verbunden hat. Wie ich mir denken kann, wird dein Verhalten von ungewöhnlich gewichtigen Argumenten erklärt und gerechtfertigt.«
»Es wird erklärt und gerechtfertigt. Entschuldige, Fringilla.«
»Entschuldige, Fringilla«, wiederholte sie und verzog wütend den Mund. »Wie knapp, wie lakonisch, wie zurückhaltend, mit welchem Gespür für Stil. Ich wette, der Brief, den du für mich zurückgelassen hast, ist bestimmt ebenso elegant redigiert. Ohne übermäßige Verschwendung, was die Tinte angeht.«
»Ich muss reiten«, presste er hervor. »Du kannst dir denken, warum. Und für wen. Verzeih mir bitte. Ich hatte vor, mich heimlich, still und leise davonzustehlen, weil … Ich wollte nicht, dass du versuchst, mit uns zu reiten.«
»Da hast du dir unnütze Sorgen gemacht«, sagte sie mit Nachdruck und bog die Reitgerte zu einem Bügel. »Ich würde nicht mit dir reiten, selbst wenn du mich auf Knien darum bitten würdest. O nein, Hexer. Reite allein, stirb allein, erfriere allein auf den Pässen. Ich habe Ciri gegenüber keinerlei Verpflichtungen. Und dir gegenüber? Weißt du, wie viele um das gebettelt haben,was du bekommen hast? Und was du jetzt voller Verachtung wegwirfst, beiseiteschiebst?«
»Ich werde dich niemals vergessen.«
»Och«, zischte sie. »Du weißt gar nicht, welch große Lust ich hätte, dafür zu sorgen, dass es wirklich so ist. Wenn schon nicht mit Hilfe von Magie, dann mit Hilfe dieser Peitsche!«
»Das wirst du nicht tun.«
»Du hast recht, werde ich nicht. Ich könnte es nicht. Ich verhalte mich, wie es sich für eine verschmähte und verlassene Geliebte gehört. Klassisch. Ich gehe erhobenen Hauptes davon. Mit Stolz und Würde. Verbeiße mir die Tränen. Dann werde ich ins Kissen heulen. Und dann lasse ich mich mit einem anderen ein!«
Gegen Ende schrie sie beinahe.
Er sagte nichts. Auch sie schwieg.
»Geralt«, sagte sie schließlich mit ganz anderer Stimme. »Bleib bei mir.
Mir scheint, ich liebe dich«, sagte sie, als sie sah, dass er mit der Antwort zögerte. »Bleib bei mir. Ich bitte dich darum. Ich habe niemals jemanden gebeten und glaube nicht, dass ich es tun werde. Dich bitte ich.«
»Fringilla«, antwortete er nach einer Weile. »Du bist eine Frau, von der ein Mann nur träumen kann. Es ist meine, allein meine Schuld, dass ich von Natur kein Träumer bin.«
»Du bist«, sagte sie und biss sich auf die Lippen, »wie ein Angelhaken, der, wenn er einmal feststeckt, nur mitsamt Blut und Fleisch herausgerissen werden kann. Nun ja, ich bin selber schuld, ich wusste, was ich tue, als ich das gefährliche Spiel begann. Zum Glück weiß ich auch, wie ich mit den Folgen zurechtkomme. In dieser Hinsicht habe ich den übrigen Frauen etwas voraus.«
Er entgegnete nichts.
»Übrigens«, setzte sie hinzu, »ein gebrochenes Herz, wenn es auch wehtut, viel mehr als ein gebrochener Arm, heilt doch auch viel, viel schneller.«
Auch diesmal entgegnete er nichts.
Fringilla betrachtete den blauen Fleck auf seiner Wange. »Was ist mit meinem Amulett? Funktioniert es gut?«
»Es
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