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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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beiden Ufern des alten Flusses eine dunkelbraune Schicht. An manchen Stellen war daraus durch Verwitterung ein Untergrund entstanden, auf dem Büsche und Bäume gediehen, an anderen waren nur harte, kahle Flächen zu sehen.
    Wie mit Blattern war der Boden mit Felsbrocken, so groß und rund wie Fußbälle, übersät. Man konnte nie wissen, ob man nicht irgendwo zufällig über eine Ansammlung von Fossilien stolpern würde.
    Er setzte sich auf einen verwitterten, von Rissen durchzogenen Felsblock und zog den linken Ellbogen ans Knie heran, um das kribbelnde Gefühl in seinem schlaffen Arm loszuwerden. Manchmal kam es vor, dass erst die Blutversorgung des Arms abgeschnitten wurde, dann die Nervenbahnen und nach einiger Zeit begann der Arm zu zucken und schmerzte höllisch.
    Es fiel ihm nicht leicht, aufmerksam und bei der Sache zu bleiben. Irgendetwas funkte ihm immer wieder dazwischen, vielleicht ein allzu realistisches Gefühl dafür, dass sich sein Vorhaben als völlig aussichtslos entpuppen konnte. »Wo würdet ihr euch hinwenden?«, flüsterte er, schlang die Knie gedankenverloren um den Stein und ließ seinen Blick über das zerklüftete Land schweifen, musterte die Bodenerhöhungen und die Kuhlen, in denen Gestrüpp wucherte. »Wo würdet ihr nach eurem Tod zwanzigtausend Jahre überdauern? Kommt schon, Jungs, helft mir aus der Klemme.«
    Eine leichte Brise strich durch das Gestrüpp und berührte wie mit Geisterfingern sein Haar. Er blies eine Fliege von seinen Lippen weg und schob sich das Haar aus den Augen. Kaye hatte früher ständig geschimpft, er müsse sich endlich mal wieder die Haare schneiden lassen. Nach einer Weile hatte sie das Thema fallen lassen und resigniert. Mitch wusste nicht, was ihm mehr gegen den Strich ging: wie ein kleiner Junge behandelt oder von der eigenen Frau als hoffnungsloser Fall abgetan zu werden.
    Er knirschte leise mit den Zähnen, wie ein wildes Tier, das Feinde wegscheuchen will. Einsamkeit und Schuldgefühle lagen ihm wie Blei auf der Seele.
    Sie waren umhergestreift.

    Selbst jetzt noch konnten seine Augen aus zwölf Schritt Entfernung einen Knochensplitter von einem Flusskiesel unterscheiden. Außerdem verfügte er über gut ausgebildete Filter im Gehirn, die dafür sorgten, dass er Eichhörnchen- oder Kaninchenknochen gar nicht erst beachtete – ebenso wenig wie die bleichen, durchgekauten Überbleibsel, an denen womöglich noch Sehnen hingen und die von irgendeinem jüngst gestorbenen Tier stammten.
    Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
    Falls die Gruppe von Männern über viel Erfahrung verfügt hatte, mochte sie den Lahar in der Ferne gesehen oder gehört und Angst bekommen haben. Vielleicht hatten die Männer versucht, sich in höher gelegenes Gelände zu retten. Das war der Ort, wo er sich jetzt befand, wo ihn seine Füße hingetragen hatten. Es war die höchste Stelle hier, ein Kamm aus hartem Felsgestein mit Bodensenken voller Erde und Gestrüpp. Er konnte bis zum Lager sehen, zumindest wusste er, wo es sein musste: etwa achthundert Meter entfernt, verborgen von hohen Büschen und Bäumen.
    Und im Norden hielt der immer gegenwärtige Mount Hood stille Wacht, dieser kompakte Kegel, der immense Erdenergie unter Verschluss hatte und jetzt nur schwache Dampfwolken spuckte, ohne dass ihm etwas von seinen früheren Wutausbrüchen und üblen Taten anzumerken war.
    Mitch machte die Augen ganz zu, um ein inneres Bild vom Anführer der Gruppe zu gewinnen. Das Bild kristallisierte sich immer deutlicher heraus. An die Stelle von Mitch trat der beste Jäger der Gruppe, ihr Oberhaupt.
    Sein Gesicht war düster und angespannt, sein Haar mit Asche bestäubt, die Haut voll grauer Aschestreifen. Er sah aus wie ein Gespenst. In Mitchs Fantasie war der Anführer zunächst mit rotbrauner Haut und fast nackt aufgetaucht, doch plötzlich legten sich Stücke von Leder über sein hoch aufgeschossenes, leicht nach vorn gebeugtes Gerippe. Es waren keine primitiven Lumpen, denn selbst damals, vor zwanzigtausend Jahren, hatten die Menschen etwas von Mode und nützlicher Kleidung verstanden; sie hatten Leggings und lose, in der Taille gegürtete Überwürfe getragen, außerdem Beutel für Feuersteine und Obsidianspitzen und alles, was sie sonst noch mit sich herumschleppten.
    Ihr Herzschlag beschleunigt sich, als sie die fahle Schicht auf ihrer Haut bemerken. Schon jetzt sehen sie aus wie tot, sie bekommen Angst voreinander. Aber der Anführer hält die Gruppe zusammen. Er springt in die

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