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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Körper tat ihr weh. Celia, die vor ihr saß, hatte sich vorgebeugt, flüsterte vor sich hin und klammerte sich an der gepolsterten Rückenlehne des Vordersitzes fest. LaShawna gähnte und tat so, als sei ihr alles egal. Felice hatte die Arme um sich geschlungen und versuchte zu schlafen.
    »Los, los, los!«, johlten die Jungen und hüpften in ihren Sitzen auf und ab. Felice lehnte den Kopf gegen das Fenster.
    Stella wollte, dass die Jungen Ruhe gaben. Sie wünschte sich völlige Stille, damit sie die Augen schließen und sich geistig an irgendeinen anderen Ort versetzen konnte. Sie fühlte sich von der Schule, von Miss Kantor und Miss Kinney verraten.
    Was natürlich Quatsch war. Schon die Tatsache, dass sie diese Schule besuchen musste, bedeutete Verrat, eine Missachtung ihrer persönlichen Rechte. Warum sollte es schlimmer kommen, wenn sie diese Schule verließ? Sie legte den Kopf zurück, damit ihr nicht schlecht wurde.
    Die Frau vom Sicherheitsdienst sagte dem Fahrer, er solle die Tür schließen und verriegeln. Gleich darauf ließ er den Motor an, legte einen Gang ein und fuhr an, wobei der Bus ins Schlingern geriet.
    Als Celia anfing, sich zu übergeben, brachte der Fahrer den Bus ruckartig zum Stehen. Sie hielten am Ende der betonierten Auffahrt, die zur Hauptstraße des Schulgeländes führte.
    »Kümmern Sie sich nicht darum!«, rief die Frau mit angeekelter Miene. »Wir machen das weg, wenn wir da sind.
    Fahren Sie einfach los!«
    »Los, los, los!«, intonierten die Jungen. Will warf Stella einen Blick zu, presste die Lippen zusammen und machte sich daran, eine weitere Seite aus dem Taschenbuch zu reißen.
    Als der Bus fuhr, begann Luft durch kleine Schlitze oberhalb der Fenster zu dringen, sodass Stella sich etwas besser fühlte.
    Celia verhielt sich weiterhin still und die beiden anderen Mädchen saßen stocksteif auf ihren Plätzen. Stella dachte über die Situation nach und kam zu dem Schluss, dass alles sehr dilettantisch und schlecht organisiert war, wahrscheinlich erst in letzter Minute. Wie Schlachtvieh im Transportkäfig wurden sie irgendwohin geschafft. Offenbar spielte die Zeit eine entscheidende Rolle. Irgendjemand war ganz heiß darauf, die Ware in die Finger zu bekommen, solange sie noch frisch war.
    Stella bemühte sich, etwas Spucke zu produzieren, um ihren Mund anzufeuchten. Der Geschmack auf ihrer Zunge war fürchterlich.
    »Wir werden etwa eine Stunde und zehn Minuten brauchen«, verkündete der Fahrer, als sie den Parkplatz der Schule verließen. »Unter jedem Sitz ist eine Wasserflasche. Wir werden einmal halten, damit ihr auf die Toilette gehen könnt.«
    Stella griff unter den blauen Sitz und holte eine Plastiktüte mit einer Wasserflasche hervor. Während sie die Flasche musterte, fragte sie sich, was sie außer Wasser noch enthalten mochte. Was würde sie am Ende dieser Fahrt – dieser Belohnung dafür, dass sie alle so liebe kleine Jungs und Mädels waren – am Zielort erwarten? Um die innere Ruhe zu bewahren, dachte sie an Kaye und danach an Mitch. Und nicht zuletzt fiel ihr dabei ein, wie sie ihren alten orangefarbenen Kater Shamus in den Armen gehalten und ihn gestreichelt hatte, sodass er schnurrte.
    Wenn sie schon sterben musste, konnte sie es zumindest mit derselben Würde wie der alte Shamus hinter sich bringen.

    30
    Oregon

    Mitch stand schon vor Sonnenaufgang auf, zog sich an, ohne Merton aufzuwecken, und verließ das Zelt, das sie miteinander teilten. Er stellte sich an die Uferböschung des Spent River und sah zu, wie sich die frühe Sonne bemühte, die düstere Landschaft mit den ersten Strahlen des Tages zu überziehen.
    Deutlich konnte er den mehr als dreißig Kilometer entfernten Mount Hood erkennen, dessen Schnee in der Morgendämmerung rötlich schimmerte.
    Er suchte sich einen kleinen Zweig, steckte ihn zwischen die Lippen und kaute darauf herum. Mitch hatte sich selbst nie für einen Menschen gehalten, der in die Zukunft sehen konnte oder übersinnlich begabt war – oder wie sonst man Leute bezeichnen mochte, die das ,zweite Gesicht’ hatten. Kaye hatte ihm vor Jahren erzählt, dass Wissenschaftler und Künstler aus denselben Quellen schöpften, wenn sie kreativ dachten. Nur waren Wissenschaftler dazu verpflichtet, ihre fantastischen Vorstellungen irgendwann zu beweisen.
    Mitch hatte Kaye nie gesagt, was ihm dieses Gespräch gebracht hatte, aber es hatte ihm geholfen, bestimmte Dinge ins rechte Verhältnis zueinander zu setzen. Er hatte dabei die

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