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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Häuser zu sehen, die die Condite-Kupfergesellschaft für Bergarbeiterfamilien hatte errichten lassen. Im Wald war Stella auf alte Kühlschränke, Waschmaschinen und Berge von Flaschen gestoßen, aber auch auf
    größere ausgemusterte Gerätschaften: auf alte Dampfmaschinen und Dieselmotoren, die wie große eiserne Raumschiffe aussahen, auf niedrige Loren, Stapel von inzwischen orangefarbenen, von Rost zerfressenen Eisenschienen, in Kreosot getauchte Bahnschwellen, auf denen schwarze Blasen glänzten, da sie jahrzehntelang der Sonne ausgesetzt gewesen waren.
    Oldstock war als ehemalige Schürfstelle mit großen Umweltproblemen ausgewiesen und lag am nördlichen Ufer des Lake Stannous, das als wenig ertragreiches Fanggebiet für Fische galt. Beide Faktoren führten dazu, dass nur selten Menschen hierher kamen. Und doch war Oldstock eigentlich ein schöner Ort. Solange es nicht allzu heftig regnete, sickerten die Erzrückstände nicht in den See, sodass die Wasserversorgung des Ortes gesichert und das Wasser genießbar war. Bis jetzt hatten sie Glück gehabt. Seit zwanzig Jahren – damals hatten Mr. und Mrs. Sakartvelo die Siedlung einer Gemeinschaft der Lutheranischen Kirche abgekauft –
    war es hier fast immer trocken gewesen.
    Sakartvelo war nicht ihr richtiger Name. Sie waren aus der früheren Sowjetunion emigriert, dem Teil, der inzwischen Republik von Georgien hieß. Der Name, den sie angenommen hatten, war eigentlich die ursprüngliche Bezeichnung der Einheimischen für das Land Georgien. Schon seit fast zwanzig Jahren hielten sie sich hier verborgen, wobei ihnen klar gewesen war, dass irgendwann andere Leute zu ihnen stoßen würden.
    Als das vor fünf Jahren begonnen hatte, war der Ort nach und nach wieder zum Leben erwacht.
    Mr. und Mrs. Sakartvelo waren Ende sechzig und ganz offensichtlich Sheviten. Sie behaupteten, in Georgien, Armenien und der Türkei gebe es schon seit zweihundert Jahren Leute ihrer Art, wenn auch nicht viele. Stella Nova sah keinen Grund, das anzuzweifeln. Auch Mitch hatte davon erzählt.
    Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf zurück und wandte ihr Gesicht der Sonne zu, um wie eine Blume Licht zu tanken, ehe die Sonne hinter den Bäumen unterging. Während sie auf Amseln, Eichelhäher, Spottdrosseln und Rotkehlchen lauschte, überzogen sich ihre Wangen vor innerer Zufriedenheit mit Schmetterlingsmustern.
    Ein Spiel, in dem sich die jüngeren Kinder übten – sie bezeichneten es als Funkeln –, bestand darin, symmetrische Wangenmuster zu erzeugen und gegenseitig deren Bedeutung zu erraten. Das war ein wichtiges Training, denn manche kamen tupfentaub nach Oldstock und wussten nicht, wie sie mit der eigenen Art kommunizieren sollten. Stella und andere bildeten die Jüngeren darin aus, nach und nach lernten sie es.

    In diesem Sommer war der Wald voller Zecken gewesen –
    auch viel Wild fand sich dort –, aber Zecken und selbst Moskitos plagten sie nicht sonderlich. Die Sakartvelos hatten ihnen beigebracht, wie sie die Fieberdüfte dazu nutzen konnten, stechende Insekten auf Abstand zu halten und auch wilde Tiere, vor allem Bären, bei einer zufälligen Begegnung zu beruhigen. Die zweihundert Sheviten in Oldstock waren im Umkreis von mehr als fünfzehn Kilometern die einzigen Bewohner, die Wälder waren immer noch wild und unberührt.
    Natürlich hatten die Sakartvelos den Kindern auch eingebläut, das Geheimnis von Oldstock für sich zu behalten, und mit ihnen geübt, wie sie sich verhalten sollten, wenn Menschen nach ihnen suchten. Sie hatten eine gründliche Erziehung genossen. Niemals war irgendjemand von hier weggeholt, nie irgendjemand von Tieren oder Menschen verletzt worden. Das Leben in Oldstock war so angenehm, dass Stella die schlimmen Zeiten – und selbst die guten Zeiten mit Mitch und Kaye, so traurig das auch war – allmählich vergaß. Nach und nach hatte sie sich da von überzeugen lassen, dass ein fest verankertes, bodenständiges Leben unter ihren Artgenossen lebenswert war.
    Und dann war Will ausgerastet.
    Bei manchen Kindern hatten die Schulzeit und das Leben unter Menschen solche Spuren hinterlassen, dass sie immer noch Albträume hatten. Während Stella davon verschont blieb, hatte Will nicht so viel Glück gehabt. Es gab vieles, was er vor allen verborgen hatte – Dinge, die er erlebt hatte oder die ihm zugestoßen waren.
    In Oldstock gab es weder Radio noch Fernsehen und nur ein einziges Satellitentelefon, das, fest in einem Schrank verschlossen, im

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