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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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größten Versammlungssaal aufbewahrt wurde. Seit Stella und Will hier waren, war es nie benutzt worden, wahrscheinlich auch früher nicht oder nur höchst selten.
    Ein Windstoß fuhr zwischen die Laken und Windeln und ließ sie flattern. Stella wischte sich den Schweiß von der Stirn, stand auf und begann damit, die getrocknete Wäsche von der Leine zu nehmen und zusammenzufalten. Danach legte sie den Stapel in den Wäschekorb, auf dem sie ihre persönliche Duftmarke hinterließ: Mit dem Daumen fuhr sie sich über die Stelle hinter dem Ohr und rieb den Griff des Korbes mit dem Talg ein.
    Randolph – der einzige Randolph in Oldstock, deswegen kannte Stella auch nicht den Nachnamen, den die Menschen ihm gegeben hatten – kam herüber. Zur Begrüßung flammten seine Wangen auf. Randolph war vier Jahre jünger als sie, deshalb sagten manche, er sei außer der Reihe geboren, außerhalb der drei SHEVA-Wellen. Kinder, die während dieser großen Wellen auf die Welt gekommen waren, wurden Boomer genannt, warum, wusste Stella nicht.
    Während Stella und Randolph Kopfkissenbezüge, Arbeitshosen und Windeln von der Leine nahmen und zusammenlegten, kommunizierten sie nur über ihre Gesichter.
    Sie alberten herum, imitierten den Geruch anderer und tauschten scherzhaft Klatsch und Tratsch aus, um sich die Zeit zu vertreiben.
    Randolph wurde gerade in einen Ableger von Stellas Gruppe, ins Amsel-Dem, aufgenommen. Zwar konnten sie offen über offizielle Dem-Angelegenheiten reden, aber nicht über irgendwelche persönlichen Dinge, die sich innerhalb des Dems abspielten. Dazu bedurfte es einer Dreierkonstellation, die Missverständnissen zwischen den Demen vorbeugen sollte. Zu einem solchen Dreiertreff entsandte jedes betroffene Dem ein Mitglied. Die Kommunikation erfolgte dabei ausschließlich über heftige Fieberdüfte, Tupfenmuster und Mimik. Für Außenstehende sah ein solches Treffen zwar völlig verrückt aus, es löste jedoch viele Probleme und sorgte dafür, dass es zwischen den Demen kaum zu Reibereien kam.
    In Oldstock lebten auch zwei Kinder der jüngsten SHEVA-Welle, Findlinge im Alter von vierundzwanzig und sechsundzwanzig Monaten. Wenn Stella sie hin und wieder zur Übung und Vorbereitung auf die eigene Mutterschaft betreute, genoss sie die wilde Duftproduktion der Kleinkinder. Sheviten-Kinder, die unter ihresgleichen aufwuchsen, schlugen manchmal über die Stränge und konnten dann einen ekelhaften Gestank erzeugen, der dem toter Stinktiere glich – aber keineswegs schmutzigen Windeln entstieg. Lange, ehe sie sprechen konnten, wussten Sheviten-Babys, wie sie ihrem Ärger durch die Erzeugung bestimmter Gerüche Luft machen konnten. Wenn ihnen etwas nicht passte, roch man es unweigerlich.
    Jeder hier lernte ständig dazu. Zum Glück waren Mr. und Mrs. Sakartvelo alles andere als Tyrannen. Da die Kommunisten in Xiflis sie hatten zwangssterilisieren lassen, waren ihnen keine eigenen Kinder vergönnt gewesen.
    Seltsamerweise machte sie das zu idealen Ersatzeltern aller Sheviten-Kinder. In dem kleinen, abgeschiedenen Ort gaben sie den Jüngeren Anleitung und Halt.
    Nachdem Randolph einen Großteil der Wäsche zusammengefaltet hatte, legte er seine Hand in brüderlicher Weise auf Stellas Wange und deutete dabei nur leicht die Frage an, die die jungen Männer hier so oft stellten, selbst jemandem in ihrem Zustand. Und sie fragten sogar Frauen in festen Partnerschaften.
    Stella reagierte mit einem kehligen leisen Knurren und einem höflichen Schnalzlaut. Beide lächelten, als sie sich voneinander verabschiedeten, ohne dass ein einziges Wort gefallen war. Stella konnte tagelang ohne gesprochenes Wort auskommen. Manchmal sprach sie zwar laut im Schlaf, konnte sich beim Aufwachen aber nie daran erinnern, wodurch es ausgelöst worden war.
    Für alle, die seit dem frühen Morgen Holz gefällt und Bretter gehobelt hatten, wurde im Speisesaal das Essen aufgetragen.
    Nach und nach kamen Männer und Frauen aus den Erfrischungskammern – Kabinen, in denen sie sich mit nassen Handtüchern den Schweiß abgerieben hatten. Die meisten duschten höchstens einmal in der Woche. Den Eigengeruch abzumildern oder gar zu überdecken, galt hier als unanständig.
    Allerdings konnte auch der Schweißgeruch nach schwerer Arbeit den eigenen Körperduft überlagern.
    »Im Herzen sind wir alle Franzosen«, hatte Mr. Sakartvelo ihnen mitgeteilt. Stella war nicht klar, was er damit meinte.
    Man erzählte sich, dass in Frankreich Sheviten in

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