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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sie gut, besser als Stella.
    Es kam ihnen so vor, als falle der Tag von ihnen ab. Stella spürte, wie sich ihre Nacken- und Rückenmuskeln lockerten.
    Nach und nach fiel ihnen all das Schöne wieder ein, das sie miteinander geteilt hatten.
    »Wunderbar, wir sind eingetaucht«, stellte LaShawna fest und begann erneut zu summen.
    »Ich… kkh… kann das Baby spüren«, erklärte Celia. »Er ist noch so klein und so ruhig. Er riecht ein bisschen wie Will –
    wenn ich mich recht erinnere, es ist schon so lange her.«
    »Er riecht tatsächlich wie Will«, sagte Stella.
    »Es ist so schön, wieder mit euch beiden zusammen zu sein«, sagte Celia.
    »Vor Wochen hab ich von dem geträumt, was wir heute gesehen haben«, erzählte LaShawna. »Ich war wach und unter Freunden, aber alles war dunkel und ich sah so tief in mich hinein, dass es wehtat. Da unten hab ich irgendetwas bemerkt.

    Einen schwachen Lichtschein, unten auf dem Grund verborgen…«
    »Was für ein Lichtschein war das?« Celia wackelte fasziniert hin und her.
    »Ich zeigs euch.« LaShawna verstärkte den Druck auf ihre Handflächen.
    Celia biss sich auf die Lippen und schloss die Augen. »Ich sehe tief hinein.«
    »Kannst du sie erkennen?«, flüsterte LaShawna und sang leise: »Wenn ihr all die Tage, all die Jahre abstreift. Euch von allen Gedanken löst. Wen seht ihr dann, tief dort unten in der Höhle? Holt uns hinein, helft uns heraus. Wer sind wir?«
    Stella trat die innere Reise nach unten an, dorthin, wo LaShawna sich befand, und berührte dabei deren Handfläche, von der sie sich leiten ließ. Sie erkannte tatsächlich etwas auf dem Grund eines langen, tiefen Schachtes. Zuerst waren es drei Personen, dann vier, als sich das Baby, das sie in sich trug, dazu gesellte. Was sie sah, glich vier golden leuchtenden Maiskörnern, die auf dem Grunde von vier verschiedenen Tunneln der Erinnerung und des Lebens verborgen waren.
    »Was sind sie?«, fragte Celia leise mit immer noch geschlossenen Augen. Auch Stella machte jetzt die Augen zu, um diese eigenartigen Dinge besser erfassen zu können.
    »Sie sind wie wir, Teil von uns, aber sie befinden sich in viel tieferen Schichten«, erwiderte LaShawna.
    »Sie sind so still…kkh… als würden sie schlafen. Friedlich.«
    »Das Baby unterscheidet sich nicht sehr von unseren«, bemerkte Stella. »Wie kann das sein?«
    »Vielleicht sind sie diejenigen, auf die es ankommt, und wir nur Schatten, die hier oben in der Falle sitzen. Mag sein, dass wir ihnen wie Gespenster vorkommen. Hm… Ich verliere sie… kann sie nicht mehr sehen.« Seufzend schlug LaShawna die Augen auf. »Das war richtig unheimlich.«

    Als der Wachtraum zu Ende ging, fühlte sich Stella leicht benommen. Im Zimmer war es so abgekühlt, dass sie zitterten.
    Sie lachten, fassten sich fester an den Händen und lauschten auf die eigenen Herzschläge.
    »Unheimlich«, wiederholte LaShawna. »Ich bin froh, dass ihr sie auch sehen konntet.«
    So saßen sie noch stundenlang beisammen und taten nichts anderes als einander mit den Händen zu berühren, ihre Gerüche auf sich wirken zu lassen und die Stille miteinander zu teilen. Bis der Morgen anbrach.

    7
    Lake Stannous

    Der dritte Schnee des Jahres fiel im späten Oktober: In dicken Flocken rieselte er zwischen den Bäumen hinunter und legte sich überall in Oldstock über die Sand- und Schotterwege.
    Kaye hastete von ihrem Klassenzimmer in der überheizten Schule ins Freie und zog den Parka, den sie sich über die Schulter gestreift hatte, am Hals fest zusammen. Außer Atem und mit tauben Lippen und Fingern stieß sie auf dem Weg zur Krankenstation – eine Bezeichnung, die Kaye zuwider war, weil sie eine Funktionsstörung implizierte – zu Mitch und Luce Ramone. Seite an Seite mit Mitch, der die Arme um sie schlang, marschierte sie schnell vorwärts, während sie mit zusammengepressten Lippen und weit aufgerissenen Augen zu ihm aufsah.
    »Wir haben die Partner und Nebenmütter ins Gebärzimmer gelassen«, sagte Luce. Die meisten der Kinder – der Sheviten, berichtigte sich Kaye – benutzten in ihrer Gegenwart nicht die Doppelsprache mit Ober- und Unterstimme, eher aus Höflichkeit als aus Vorsicht oder wegen irgendwelcher offensichtlicher Vorbehalte. Im Laufe der letzten vier Monate hatten sich die Sheviten nach und nach dazu durchgerungen, Kaye und Mitch zu vertrauen. Gemeinsam hatten sie Methoden entwickelt, um werdende Mütter vor und bei der Geburt zu beruhigen. Kaye war nicht klar, ob es nur

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