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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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und gingen, waren irgendwie auf die Iris seiner Augen, die Gesichtsmuskeln und kleine kehlige Geräusche abgestimmt. Stella beobachtete ihn fasziniert, hatte allerdings keine Ahnung, was er da eigentlich trieb oder zu übermitteln versuchte. »Ich schätze, du kannst es nicht«, sagte er. »Was riechst du, kleines Reh?«
    Stella spürte, wie ihre Nase brannte, und wich zurück.
    »Praktisch bist du ein Analphabet«, stellte Will fest, lächelte jedoch voller Anteilnahme. »Das ist eine Sprache, die die Kinder im Wald erfunden haben.«
    Stella merkte, dass Will gern das Oberkommando hatte und sich wünschte, dass die Menschen ihn für gescheit und tüchtig hielten. Allerdings strahlte sein Geruch auch eine gewisse Schwäche aus, die ihn sehr verletzlich erscheinen ließ. Er ist innerlich gebrochen, dachte sie.
    Als Elvira stöhnte und nach ihrer Mutter rief, kniete Will sich neben sie und berührte ihre Stirn. »Ihre Eltern hielten sie auf einem Dachboden versteckt, haben die Kinder im Wald erzählt.
    Als sie nach Kalifornien umzogen, haben sie Elvira bei ihrer Großmutter zurückgelassen, aber die starb irgendwann. Da ist Elvira weggelaufen und wurde auf der Straße von jemandem geschnappt. Ich glaube, sie wurde auch vergewaltigt, mehrmals sogar.« Er räusperte sich. Vor Wut war ihm das Blut in die Wangen geschossen, die jetzt ganz dunkel wirkten. »Da hatte bei ihr schon diese Erkältung – oder was es auch sein mag –
    angefangen, deshalb konnte sie nicht den Fieberduft erzeugen, der die Leute von so was abgehalten hätte. Fred fand sie zwei Tage nach mir. Er hat einige Fotos von ihr gemacht. Er hält uns hier fest, bis er genügend Kinder beisammen hat, um sich ein gutes Kopfgeld einzuhandeln.«
    »Eine Million Dollar pro Kopf«, warf Kevin ein. »Ob tot oder lebendig.«
    »Übertreib nicht«, entgegnete Will. »Ich weiß nicht, wie viel er bekommt, aber wenn wir tot sind, zahlen die gar nichts. Und falls wir verletzt sind, kann es sogar passieren, dass er ins Gefängnis wandert. Das hab ich jedenfalls im Wald gehört.

    Das Kopfgeld kommt von der Bundesregierung, nicht vom Land, deshalb versucht Fred ja auch, der örtlichen Polizei aus dem Weg zu gehen.«
    Von dieser Demonstration an Wissen war Stella sehr beeindruckt. »Das ist ja grässlich«, sagte sie mit klopfendem Herzen. »Ich will nach Hause.«
    »Wie hat Fred dich erwischt?«, wollte Will wissen.
    »Ich hab einen Spaziergang gemacht.«
    »Du bist von zu Hause weggelaufen«, berichtigte Will.
    »Macht es deinen Eltern irgendwas aus?«
    Stella dachte an Kaye, die beim Aufwachen gemerkt haben musste, dass ihre Tochter verschwunden war, und hätte am liebsten geweint. Das führte dazu, dass ihre Nase noch stärker brannte und auch ihre Ohren zu schmerzen anfingen.
    Die Maschendrahttüre knarrte. Auf Wills Wink hin ging Kevin nachsehen, was dort los war. Nach einem Blick auf Will folgte Stella ihm. Mutter Trinket war an der Käfigtür. Sie hatte gerade ein Serviertablett unter dem Maschenrahmen hindurchgeschoben, auf dem ein Pappteller mit gebratenem Huhn – Stücke von Hals und Rücken –, einer kleinen Portion Kartoffelsalat und verkochtem Broccoli stand. Das Kinn auf die Brust gedrückt, beobachtete die Alte sie aus ihren milchig-trüben Augen heraus. Die von Altersflecken übersäten Arme baumelten wie dicke Birkenstöcke links und rechts an ihr hinunter.
    »Igitt«, sagte Kevin, griff nach dem Tablett und reichte es Stella. »Alles deins.«
    »Wie geht’s dem Mädchen?«, fragte Mutter Trinket.
    »Sie ist wirklich krank«, erwiderte Kevin.
    »Es kommen Leute, die werden sich um sie kümmern«, sagte die Alte.
    »Was kümmert Sie das schon?«, fragte Kevin.

    Die Alte zwinkerte mit den Augen. »Immerhin ist er mein Sohn.« Sie wandte sich um und watschelte durch die Tür, die sie hinter sich zuzog und verriegelte.
    Als sie Stellas Tablett ins hinterste Zimmer trugen, atmete Freie Form mit kurzen, schweren Zügen.
    »Sie riecht schlimm«, bemerkte Mabel. »Ich hab Angst um sie.«
    »Ich auch«, sagte Will.
    »Will ist hier der Papa«, erklärte Mabel. »Will sollte Hilfe holen.«
    Will sah Stella bedrückt an und ließ sich auf die Couch fallen, während Stella das Tablett auf einen kleinen Klapptisch stellte. Ihr war nicht nach Essen. Gemeinsam mit Kevin kniete sie sich neben Elvira auf den Boden. Als sie dem Mädchen über die Wangen strich, verblassten die Tupfen und kamen auch nicht mehr wieder. Die Flecken hatten sich in den letzten Minuten

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