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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Wohnheimen.
    Es war ein Jahr her, dass Augustine die Goldberger-Schule zuletzt inspiziert hatte. Damals hatten sich viele Reihen von Kindern zwischen den Unterrichtsräumen, Wohnheimen und Kantinen hin und her bewegt, beaufsichtigt von Lehrern, Pflege- und Wachpersonal. Jetzt wirkten die Wohnheime verlassen. Ein Krankenwagen parkte vor dem inneren Tor zu den Unterkünften. Auch hier war kein Mensch zu sehen.
    »Wo sind die Kinder?«, fragte Dicken. »Sind sie alle krank?«

    30
    Pennsylvania

    Stella sah und erlebte alles in zusammenhangslosen, sprunghaften Episoden. Das Heraustragen aus dem Auto tat so schrecklich weh, dass sie aufschrie, aber die Schatten wollten nicht von ihr lassen und folterten sie weiter. Sie sah Asphalt, Steine und graue Ziegel, danach einen großen Baum, der auf dem Kopf zu stehen schien, und schließlich ein Bett mit straff gespannten rosa Laken. Sie sah und hörte, wie sich Erwachsene im Lichtschein einer offenen Tür unterhielten.
    Alles andere lag im Dunkel. Sie drehte sich vom Licht weg –
    die Dunkelheit milderte die Schmerzen – und lauschte mit großen Ohren auf die Stimmen im anderen Zimmer. Einen Augenblick lang dachte sie, es seien die Stimmen Verstorbener, weil sie so unglaubliche Dinge sagten und miteinander auf so verrückte Art fröhlich waren. Sie unterhielten sich über das Fegefeuer und die Hölle. Und darüber, wer wohl als Nächster dran glauben müsse. Eine Frau lachte so irre, dass Stellas ganzer Körper zu kribbeln begann.
    Das Kribbeln wollte gar nicht mehr aufhören, ging einfach weiter. Sie lag ohne den Schutz ihrer Haut im Bett, als rohes Fleisch, und starrte zu den Spinnweben und gespenstischen Armen empor. Manchmal sah sie auch Flecken vor ihren Augen, winzige Ketten von Zellen, die sich zum Umfang von Ballons aufgebläht hatten. Sie wusste, dass es keine Ballons waren, aber das spielte keine Rolle.

    Kaye war mehr als erschöpft. Iris Mackenzie sorgte dafür, dass sie mit einer Tasse Kaffee und einem Keks in der Hand auf einem Stuhl Platz nahm. Das Haus war riesig und wies innen die hellen Farben und Schattierungen auf, die reiche Leute bevorzugen: Eierschale, blasses Grau, Wedgwood-Blau und tiefes, erdfarbenes Grün.
    »Sie müssen etwas essen und sich ausruhen«, mahnte Iris.
    »Mitch…«, begann Kaye.
    »Mitch und George sind bei Ihrer Tochter.«
    »Ich sollte bei ihr sein.«
    »Bis der Arzt hier ist, können Sie gar nichts tun.«
    »Ich könnte mit einem nassen Schwamm versuchen, das Fieber zu senken.«
    »Ja, in einer Minute. Bitte ruhen Sie sich jetzt aus, Kaye. Sie wären auf der vorderen Veranda fast umgekippt.«
    »In einem Krankenhaus wäre sie besser aufgehoben.« Kayes Augen huschten unruhig hin und her. Sie schaffte es, aufzustehen und sich an Iris’ sanften Händen vorbeizudrängen.
    »Kein Krankenhaus würde Stella aufnehmen«, erklärte Iris, hielt sie fest und nutzte die Umarmung dazu, Kaye mit sanfter Gewalt auf den Stuhl zurückzudrücken. Als Iris ihre Wange gegen Kayes legte, war sie tränenfeucht. »Wir haben jeden auf unserer Liste angerufen. Viele der neuartigen Kinder haben diese Krankheit. Es kommt bereits in den Nachrichten. Und die Krankenhäuser verweigern die Aufnahme. Wir sind völlig verzweifelt. Wir haben keine Ahnung, wie es unserem Sohn geht. Wir kommen nicht nach Iowa durch.«
    »Er ist in einem Lager?«, fragte Kaye verwirrt. »Wir dachten, das Netz umfasse nur aktive Eltern.«
    »Wir sind sehr aktive Eltern«, erklärte Iris mit Schärfe. »Es ist jetzt zwei Monate her. Wir stehen immer noch auf der Liste.
    Und da bleiben wir auch, solange wir helfen können. Die können uns ja nichts Schlimmeres antun, als sie bereits getan haben, nicht wahr?«
    Iris hatte strahlend grüne Augen, die wie Juwelen in einem hübschen bäuerlichen Gesicht funkelten, die hellen, rötlichen Wangen einer Irin, dunkelbraune Haare und eine schlanke Figur. Ihre dünnen, starken Finger schienen nie zur Ruhe zu kommen, griffen ins Haar, an die Bluse, zum Tablett und schließlich zum Wasserkessel, als sie heißes Wasser in die dünnen Porzellantassen füllte. Sie rührte Pulverkaffee hinein.
    »Hat die Krankheit schon einen Namen?«, fragte Kaye.
    »Noch nicht. Bis jetzt ist sie auf die Schulen, ich meine die Lager beschränkt. Niemand weiß, wie ernst sie ist.«
    Kaye schon. »Wir haben ein Mädchen gesehen, das daran gestorben ist. Vielleicht hat sich Stella bei ihm angesteckt.«
    »Verdammt noch mal«, knurrte Iris mit zusammengebissenen Zähnen.

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