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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Verwitterung bereits einen Grauton angenommen hatten. Sie lag abgeschieden in einem Kiefernwäldchen am Ufer eines kleinen Privatsees, der ein Viertel Hektar umfassen mochte. Die Luft roch würzig nach Kiefernadeln und trockenem Sandboden. Aber vom See her konnte Mitch auch Feuchtigkeit und den moderigen Duft von Wasserpflanzen und Schilf im flachen Gewässer ausmachen.
    Durch die Bäume fielen Sonnenstrahlen schräg auf den Jeep und tauchten Kaye auf dem Rücksitz in helles Licht.
    Als Mitch die Verandastufen emporstieg, knarrten seine schweren Schuhe auf dem Holz. Er schloss die Tür auf, gab den sechsstelligen Zahlencode ein, um die Alarmanlage zu deaktivieren, und ging danach zum Jeep zurück. Kaye, die Stella trug, kam ihm schon auf halbem Weg entgegen.
    »Bring einen Beutel von der Ringer-Lösung mit und bereite einen Tropf vor«, sagte sie. »Häng ihn an einem Lampen- oder Blumenampelhaken oder sonstwo auf. Ich lege Decken auf den Boden.« Sie trug Stella in die Hütte, in der es kühl war und süßlich-stickig roch.
    Hinter einer großen Ledercouch breitete Mitch einen Schlafsack aus, nahm eine Blumenampel vom Haken, hängte den Beutel mit der Ringer-Lösung daran, führte den langen durchsichtigen Plastikschlauch in den Beutel ein und öffnete die Flügelklemme, sodass die klare Flüssigkeit abfloss und aus der Nadel tropfte. Kaye bettete Stella währenddessen auf den Schlafsack, klopfte ihr auf den Arm, bis eine Vene hervortrat, schob die Nadel hinein und klebte sie mit Heftpflaster am Arm fest.
    Stella konnte sich kaum noch bewegen.
    »Sie müsste in ein Krankenhaus.« Kaye kniete sich neben ihre Tochter.
    Mitchs Hände öffneten und schlossen sich hilflos, während er auf beide niedersah. »Ja, in einer besseren Welt.«
    »Es gibt keine bessere Welt, verdammt noch mal«, gab Kaye zurück. »Gab nie eine und wird auch nie eine geben. Es gibt nur Lasset die Kindlein zu mir kommen… «
    »Was ursprünglich ganz anders gemeint war«, bemerkte Mitch.
    »Scheiß drauf. Ich hoffe, ich weiß, was ich hier treibe, Teufel noch mal.«
    »Ihr tut der Kopfweh.«
    »Sie hat eine aseptische Meningitis. Ich werde die Schwellung mit Prednison behandeln und die Wunden im Mund mit Famicyclovir.«

    Heftpflaster, Famicyclovir und andere Arzneimittel hatten sie in einer kleinen Apotheke unweit der Tierklinik besorgen können. Kaye hatte es auch geschafft, eine Schachtel mit Wegwerfspritzen zu ergattern. Ihre Notlügen waren am Ende mehr als durchsichtig gewesen. Sie hatte dem Apotheker, der hinten im Laden in seinem erhöhten Kabuff thronte, erzählt, sie brauche die Spritzen zum Kleiderfärben. In einer Großstadt wäre sie damit niemals durchgekommen.
    »Ich weiß nicht einmal, ob das die richtige Dosis ist«, murmelte sie, während sie eine Spritze für Stella aufzog.
    Mitch war fast sicher, dass es Kaye nicht einmal bemerken würde, wenn er aus der Tür spazierte und wegfuhr. Er musterte seine Hände, die so weich geworden waren, seitdem er nicht mehr an Ausgrabungen teilnahm. Wie hatte es so weit kommen können? Natürlich wusste er es, er erinnerte sich an alles, aber nichts davon kam ihm jetzt real vor. Selbst der Schatten des Kummers, der sich über alles gelegt hatte – war es dieser Schatten gewesen, den er im Jeep gespürt hatte? –, erschien ihm inzwischen ganz unwesentlich. Er hatte das Gefühl, seine Seele sei zu einem Nichts zusammengeschrumpft.
    »Ich pass auf Stella auf«, sagte er, als die Ringer-Lösung durch den langen Plastikschlauch zu laufen begann.
    »Schlaf lieber ein bisschen«, entgegnete Kaye und stülpte eine Plastikkappe über die benutzte Nadel der Einwegspritze.
    »Erst du«, schlug er vor.
    »Schlaf doch, verdammt noch mal.« Kayes Blick traf ihn wie der Schnitt eines stumpfen Messers.

    45
    Ohio

    »Jetzt fängt es an«, sagte Augustine. »Vor diesem Tag habe ich mich schon seit Jahren gefürchtet.«
    Augustine, begleitet von seinem stets wachsamen Aufpasser, und Dicken standen inmitten von Kartons, verstaubten alten Schreibtischen und ausrangierten PCs im Turm Nummer 2 und sahen zu, wie Soldaten der Nationalgarde von Ohio eine Umzäunung errichteten und damit den Eingang der Schule von der Außenwelt abschnitten. Ihr Blick umfasste die Hauptstraße, den Wasserturm im Westen, ein kahles Geröllfeld, auf dem Betonquader verstreut lagen, jenseits davon eine Gruppe verkümmerter Eichen und die Hauptverkehrsstraße, die grasbewachsene Hügel durchschnitt.
    DeWitt stieg die letzte

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