Die Darwin-Kinder
körperliche Nähe und tatsächliche Kontakte zwischen den Versuchspersonen, die eine Möglichkeit zur Übertragung des Virus nahe legten. Es war bereits deutlich zu sehen, welches Muster sich herausbilden würde, aber er wollte keine voreiligen Schlüsse daraus ziehen. Er vertraute weder der eigenen Intuition noch seinen Instinkten. Er baute auf gesicherte Fakten, unbestreitbare Verknüpfungen und regelmäßig auftretende Korrelationen.
Er bereitete die Ergebnisse ein zweites Mal auf, diesmal in Blöcken mit Zahlenreihen. Als das erledigt war, legte er eine weitere Tabelle in umgekehrter Reihenfolge an und füllte die Kästchen mit den Kennziffern.
Schließlich räumte er alles andere beiseite und fuhr mit dem Ende des Filzstifts von links nach rechts über die Zahlenreihen.
Er nahm sich Zeile für Zeile vor, erst in der Reihenfolge von oben nach unten, danach umgekehrt. Die Verbindungen kennzeichnete er mit einem farbigen Marker. Das Muster, das sich dabei ergab, war stets dasselbe.
Innerhalb des Zentrums für Spezialtherapie hatten sich die Kinder, die seit mehr als drei Tagen keinen Kontakt mit Lehrern oder Schülerinnen und Schülern von außerhalb gehabt hatten, nicht angesteckt. Acht Kinder hatten sich in Isolierzellen befunden und waren von niemandem versorgt worden, nachdem das Personal das Haus geräumt hatte. Drei von ihnen waren gestorben, aber ihre Proben waren allesamt negativ.
Vor fünf Stunden hatte Middleton im Labor angerufen, um Dicken mitzuteilen, dass eines der aus den Isolierzellen befreiten Kinder erkrankt sei. Kelson habe gesagt, das Mädchen werde wohl sterben. Höchstwahrscheinlich war das Kind aber erst nach seiner ,Befreiung’ dem Virus ausgesetzt gewesen.
Dicken hatte auch Proben von sechs Kindern getestet, die ein Lehrer vor seiner Flucht in einem Duschraum eingeschlossen hatte. Erst gestern Abend hatte man sie entdeckt. Eines dieser Kinder war gestorben, weil es seine speziellen Medikamente nicht bekommen hatte. In den letzten achtundvierzig Stunden hatte keines von ihnen Kontakt mit Lehrern oder dem sonstigen Personal gehabt. Ihre Proben zeigten einen negativen Befund.
DeWitt und Middleton hatten fünfzig Kinder benannt, von denen sie eindeutig wussten, dass sie in den letzten sechzig Stunden engen Kontakt mit Lehrern und dem übrigen Personal gehabt hatten. Vierzig davon waren erkrankt, zwanzig gestorben. Alle Proben hatten sich als positiv erwiesen.
Irgendwie hatten es zehn Kinder geschafft, der Ansteckung zu entgehen.
Er ging die Ergebnisse von weiteren zweiundzwanzig Personen durch, allesamt Erwachsene, die entweder als Lehrer, Pflegepersonal oder Sicherheitsbeamte an der Schule beschäftigt gewesen waren. Alle hatten in den letzten achtundvierzig Stunden ständig Kontakt mit den infizierten Kindern gehabt. Sie waren erschöpft, gestresst, völlig ausgelaugt. Sechs aus dieser Gruppe – vier Krankenschwestern aus dem Hauptgebäude, ein Lehrer aus dem Zentrum für Spezialtherapie und die Beraterin DeWitt – hatten einen positiven Befund, allerdings schwächer ausgeprägt als bei den erkrankten Kindern. Keiner von ihnen zeigte Symptome einer Infektion.
Weder bei ihm selbst noch bei Mark Augustine waren Spuren des Virus nachgewiesen worden. Dicken hielt sich die Aufstellung nochmals vor die Augen. An den Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen waren, war nicht zu rütteln.
Nur infizierte SHEVA-Kinder zeigten Symptome der Krankheit.
Und bei SHEVA-Kindern, die in jüngster Zeit keinen Kontakt mit Erwachsenen gehabt hatten, war weder das Virus nachzuweisen noch zeigten sie irgendwelche Symptome der Krankheit.
Nur in Ausnahmefällen hatten Kinder Erwachsene angesteckt; und falls sich ein Erwachsener tatsächlich das Virus eingefangen hatte, wurde er trotzdem nicht krank.
Vermutlich steckten die Kinder einander an, aber am Anfang der Kette standen stets solche Mädchen oder Jungen, die in jüngster Zeit Kontakt mit Erwachsenen gehabt hatten.
Natürlich hatte er nicht jedem lebenden oder toten Kind und jedem Erwachsenen an der Schule Proben entnommen.
Durchaus möglich, dass ein Kind, das selbst keine Symptome zeigte, am Anfang der Kette stand. Ebenso war vorstellbar, dass dem Virus ausgesetzte Erwachsene irgendwann doch noch erkranken würden. Aber er glaubte es nicht.
Höchstwahrscheinlich lag die Quelle nicht bei den Kindern.
Und Erwachsene erkrankten nicht daran. Der Strom floss nur in eine Richtung: vom Personal der Schule zu den SHEVA-Kindern.
Als sich der
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