Die Darwin-Kinder
Unterarm, als wolle sie ihn bestrafen.
»Aua!«
Sie lockerte den Griff. »Wir müssen dafür sorgen, dass Stella es ruhig und friedlich hat. Sie muss sich ausruhen, wenigstens noch ein paar Tage. In einem Jeep, wo sie durchgerüttelt wird, kann sie das nicht.«
»Stimmt.«
»Am besten, wir bleiben hier, geht das in Ordnung?«
»Muss wohl.«
Kaye lehnte den Kopf gegen Mitchs Brust. Ihr Blick verschwamm, schließlich schloss sie die Augen. »Schläft sie noch?«, fragte sie.
»Lass uns nachsehen.« Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer hinüber.
Stella schlief noch. Kaye nahm Mitchs Hand und führte ihn ins Schlafzimmer. Nachdem sie sich ausgezogen hatten, streifte sie das Bettzeug bis auf das Laken herunter.
»Ich brauche dich«, sagte sie.
Ihre Finger auf seinen Lippen rochen nach Teeblättern.
49
Ohio
Dicken hatte seine fast neunzig Probenreihen präpariert und zur Analyse aufgebaut. Mit einem Zellstofftuch wischte er sich den brennenden Schweiß aus den Augen. Es war ihm mehr als klar, wie sehr die Zeit drängte, aber das war kontraproduktiv.
Wenn er gute Ergebnisse erzielen wollte, konnte er nicht schneller arbeiten. Und wenn er schlampte, hätte er gar nicht erst anzufangen brauchen.
Er hatte neun Stunden durchgearbeitet. Zuerst hatte er die Proben auf der Grundlage seiner Beschriftungen und der Notizen, die er sich vor Ort gemacht hatte, voneinander getrennt und klassifiziert, danach für die automatische Laboranalyse vorbereitet. Der größte Teil der manuellen Arbeit bestand darin, die Proben zu präparieren und für die Tests aufzubauen.
PCR-Apparate für die Polymerase-Kettenreaktion, mit denen man DNA-Fragmente in kürzester Zeit vielfach kopieren konnte, waren in seiner Studienzeit noch so groß wie riesige Koffer gewesen. Jetzt konnte er sie mit einer Hand umfassen.
Was hier an Gerätschaften herumstand, hätte vor fünfzehn Jahren noch ein ganzes Gebäude gefüllt.
Die komplementären RNA-Segmente, die von den Zellen exprimiert wurden, hefteten sich an die DNA-Oligonucleotide, kurz Oligos genannt, die auf winzigen Abschnitten von Chips befestigt waren, die das gesamte menschliche Genom enthielten. Da die RNA-Moleküle mit künstlichen Fluoreszenzmarkierungen versehen waren, konnte man sie mit Scannern sichtbar machen und so bestimmten Chromosomenabschnitten zuordnen.
Für eine vorbereitete Reihe von Seren konnten die Sequenzierer den exakten genetischen Code aller in den Proben enthaltenen Viren zuerst gezielt vermehren und dann bestimmen. Die Apparate zur Eiweißanalyse würden alle Proteine auflisten, die sie in den entsprechenden Zellen gefunden hatten, sowohl die der Viren als auch die ihrer Wirte.
Danach würde der Rechner, der Ideator, die Proteine den inzwischen bekannten Leserastern der sequenzierten Gene zuordnen.
All dies würde ihm eine Kartierung der Krankheit auf zellulärer Ebene ermöglichen.
Er gab dem Server, der die Laborgeräte steuerte, Befehle ein.
Zum Glück war es nicht schwer gewesen, den Zugangscode zu erraten. Um das Kennwort herauszubekommen, hatte er verschiedene Kombinationen von JURIE und ARAM
ausprobiert. Mit der Verbindung ARAM-JURIE#1 hatte es schließlich geklappt.
Inzwischen drang ein Summen und schwaches Klicken durch das Labor, anfangs zu seiner Rechten, später zu seiner Linken.
Dicken stand auf und sah zu, wie die kleinen Plastikröhrchen in ihren stählernen Haltern eines nach dem anderen vorrückten und in den peniblen Mäulchen der weiß-silbernen Geräte verschwanden. Er konnte nicht umhin, die Art und Weise, wie die beiden Ärzte das Labor organisiert hatten, zu bewundern.
Es war äußerst effizient. Sie hatten die Anordnung der Geräte sorgfältig überdacht, sodass der Fluss von einer Analysestufe zur nächsten bestens funktionierte.
Jurie und Pickman hatten ihr Handwerk verstanden.
Trotzdem: Virusjäger, die beim ersten Anzeichen einer Seuche die Flucht ergriffen, galten bei ihren Kollegen nicht viel. Höchstwahrscheinlich hatten Jurie und Pickman Viren nie vor Ort, in der praktischen Forschung, dingfest gemacht. Sie hatten sich eher wie Labor-Dandys verhalten, deren Haut fahl geworden war, weil sie sich nie der tropischen Sonne aussetzten. Und beim ersten Anblick ihrer Jagdbeute in der Realität hatten sie sich als absolute Feiglinge erwiesen.
Einen Augenblick lang hatte Dicken das Gefühl zu frösteln.
Wie dumm von ihm, dass er nicht schon früher daran gedacht hatte: Es war ja durchaus möglich, dass Jurie und Pickman ihre
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