Die Darwin-Kinder
Arbeit bereits abgeschlossen und die Ergebnisse gesichtet hatten. Vielleicht hatten sie sich deshalb aus dem Staub gemacht. Weil die Ergebnisse etwas sehr Schlimmes verhießen.
Allerdings war Dicken nirgendwo im Labor auf Utensilien zur Probenentnahme gestoßen. Und die Geräte wirkten so neu, als seien sie bislang kaum benutzt worden.
Das Frösteln legte sich, aber es dauerte eine ganze Weile.
Eine Stunde später drückte er auf die Leertaste der Computertastatur, um den Bildschirmschoner zu inaktivieren.
Gleich darauf leuchtete ein grüner Balken mit der Aufschrift Eureka! auf, der ihm sagte, dass Ergebnisse vorlagen.
Zunächst erschienen die Ergebnisse als kleine Skizzen in einem Gitternetz. Nachdem er den entsprechenden Befehl eingegeben hatte, tauchte eine Folge von größeren grafischen Darstellungen auf dem Bildschirm auf.
Mit grimmiger Genugtuung sah Dicken, dass er eine Rekombination verschiedener nicht-eingekapselter RNA-Viren aus dem Blut und Sputum aller erkrankten Kinder isoliert hatte. Die Mengen deuteten auf eine stark ausgeprägte Infektion hin. Keine anderen Nucleinsäuren traten in so großen Mengen auf.
Von Anfang an, sobald er bei den Kindern die Schleimhautentzündungen und offenen Wunden im Mund entdeckt hatte, war Dicken der Verdacht gekommen, es könne sich um das Virus Coxsackie A handeln, das sehr ähnliche Symptome erzeugen konnte, wie sie bei den erkrankten SHEVA-Kindern aufgetreten waren. Aber die Spielart A galt kaum als Krankheit, die zum Tode führen konnte. Dagegen führte Coxsackie B bei Kindern und Säuglingen manchmal zu einer Herzmuskelentzündung. Wie Dr. Kelson erwähnt hatte, war es durchaus möglich, dass bei einigen erkrankten Kindern eine Herzmuskelentzündung die eigentliche Todesursache gewesen war: »Die Krankheit kann das Herzmuskelgewebe so angreifen, dass das Herz einfach zu schlagen aufhört«, hatte Kelson gesagt.
Coxsackie A und B verbreiteten sich im Allgemeinen über den Kontakt mit Fäkalien und den Austausch von Speichelflüssigkeiten. Er kannte kein einziges Beispiel aus der Vergangenheit, bei dem sich diese Viren über Hautkontakt, Aerosole – als Tröpfcheninfektion via Atmung oder Niesen –
oder Rückstände auf Oberflächen verbreitet hätten. Und doch konnten nur diese Übertragungswege die rapide und umfassende Verbreitung der Seuche nach dem ersten Ausbruch erklären.
Irgendetwas musste eine Veränderung der Viren bewirkt haben. Coxsackie A und B oder beide hatten plötzlich ein viel stärkeres Ansteckungspotenzial entwickelt, allerdings nur innerhalb einer bestimmten Personengruppe, die vorher als nahezu immun gegen die üblichen Kinderkrankheiten gegolten hatte.
Da er jetzt wusste, um welche Virenart es sich handelte, konnte er sich nun auf die Genese und Wirkungsgeschichte der Krankheit konzentrieren. Er wollte untersuchen, wie sich das ursprüngliche Virus verändert und verbreitet hatte, und bestimmen, wo man am ehesten weitere Ansteckungen befürchten musste.
Dicken gab den Befehl ein, die Proben numerisch aufzulisten und dabei jeder untersuchten Person samt ihren besonderen Merkmalen eine Kennziffer zuzuordnen. Der Rechner bereitete die Liste in Tabellenform auf, die sich allerdings als zu kompliziert und wenig aufschlussreich erwies.
Deshalb holte sich Dicken einen Zettel und begann gleich darauf, die Ergebnisse so aufzubereiten, wie er selbst es bevorzugte. Mit einem kleinen Filzschreiber zeichnete er drei große Kreise aufs Papier. In den ersten Kreis kritzelte er schwungvoll ein K, das als Abkürzung für Kinder stand. In diesen Kreis malte er einen kleineren und nannte ihn IK –
infizierte Kinder. Den zweiten großen Kreis bezeichnete er mit TP – als Abkürzung für das tapfere Personal, das in der Schule ausgeharrt hatte. Und den dritten Kreis gab er das Kürzel VR
für Verräter. Damit meinte er diejenigen, die der Schule beim Auftreten von Gefahr den Rücken gekehrt hatten.
Mit einem roten Filzschreiber begann er, die Liste der untersuchten Personen in zwei Kategorien einzuteilen. Dort, wo das Virus aufgetreten war, notierte er ein Pluszeichen hinter dem Namen; wo es fehlte, vermerkte er ein Minus.
Danach trug er die Kennziffern in die entsprechenden Kreise ein. Zwei Kreise füllten sich schnell mit Zahlen sowie Plus-und Minuszeichen. Nur der mit VR gekennzeichnete Kreis blieb vorerst leer, vielleicht würde er ja irgendwann entsprechende Informationen von außen erhalten.
Jetzt verfügte er über Anhaltspunkte für
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