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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Religion wieder. In den meisten Bücherregalen standen knallbunte Endzeit-Romane. Im Vorübergehen sprangen ihr die in die grellen Einbände integrierten Hologramme ins Auge, die von Apokalypse, heiliger Verzückung, Offenbarung, Dämonen und gefallenen Engeln kündeten. Die meisten Bücher waren mit Audiochips ausgestattet, auf denen das ganze Buch als gelesener Text gespeichert war. Ähnliche Chips enthielten Titelzeilen und Klappentexte als gesprochene Kaufaufforderungen. Als Kaye hastig vorbeiging, löste sie eine Klangwelle aus: Die Bücherregale murmelten leise vor sich hin, als habe Kaye Geister heraufbeschworen.
    Ernsthaftere theologische Texte hatte man ins Abseits verbannt. Kaye fand nur ein einziges Regal, das ganz hinten an der Wand stand. Die Bücher in diesem kalten Winkel des Ladens waren allesamt abgegriffen und angestaubt.
    Mit großen Augen und einem komischen Gefühl im Bauch berührte Kaye die Buchrücken und ging die Titel durch.
    Keines dieser Werke schien das zu sein, was sie suchte. Die meisten waren zeitgenössische Bibelkommentare. Manche zogen heftig gegen den Darwinismus und die modernen Naturwissenschaften ins Feld.
    Langsam wandte sie sich um, blickte auf den Gang und lauschte auf die Bücher, deren miteinander konkurrierende Stimmen sie an ein Rauschen im Blätterwald erinnerten. Mit finsterem Blick wandte sie sich wieder dem einzigen Regal mit theologischen Texten zu. Unbedingt wollte sie hier ein Buch finden, mit dem sie etwas anfangen konnte. Schließlich zog sie eine Schwarte heraus, deren Titel Gespräch mit dem Alleinigen Gott lautete. Als sie fünf Seiten überflog, musste sie feststellen, dass der Text in Großdruck mit breiten Seitenrändern präsentiert wurde und selbstgerechte, einfach gestrickte Anleitungen für ein christliches Leben in Zeiten der Krise enthielt. Taugt nichts, ist nicht das, was ich brauche.
    Als sie das Buch mit einer Grimasse zurückstellte und sich zum Gehen anschickte, blockierten ein älterer Mann und eine Frau, die sie anlächelten, den Gang. Kaye hielt die Luft an, während ihre Augen hin und her wanderten. Sie war sicher, dass ihr Fahrer mit in den Laden gekommen war, konnte sich aber nicht daran erinnern, ihn hier gesehen zu haben.
    »Sind Sie auf der Suche?«, fragte der Mann. Er war groß und furchtbar dünn, hatte kurzes gewelltes weißes Haar und trug einen schwarzen Anzug. Dass seine Mantelärmel ständig den Arm hoch wanderten, erinnerte Kaye an Mitch, aber das war auch die einzige Ähnlichkeit. Er wirkte resolut und ein bisschen künstlich, wie eine Schaufensterpuppe oder ein schlechter Schauspieler. Die Frau war ebenso groß und bis zur Taille schlank, hatte aber kräftige Arme. Sie trug ein langes Kleid, das sich eng an ihre Schenkel schmiegte.
    »Wie bitte?«, fragte Kaye.
    »Wenn Sie auf der Suche sind, gibt es nämlich bessere Orte und bessere Werke als diese zu entdecken«, erklärte der Mann.
    »Danke, ich komme zurecht«, erwiderte Kaye und wandte in der Hoffnung, sie würden sie dann in Ruhe lassen, den Blick ab. Sie griff nach einem anderen Buch.
    »Was suchen Sie denn?«, fragte die Frau.
    »Ich habe nur herumgestöbert – nichts Besonderes.« Kaye vermied es, sie anzusehen.
    »Hier werden Sie keine Antwort finden«, bemerkte der Mann.
    Da vom Chauffeur weit und breit nichts zu sehen war, musste Kaye allein mit der Situation fertig werden, die allerdings wohl nicht besonders heikel war. Sie bemühte sich, freundlich und unbefangen zu erscheinen.
    »Es gibt nur eine gültige Übersetzung der Worte des Herrn«, sagte der Mann. »Wir finden sie in der King-James-Bibel. Gott hat über König James wie über eine heilige Flamme gewacht.«
    »Das habe ich gehört«, erwiderte Kaye.
    »Zu welcher Kirche gehören Sie?«

    »Zu gar keiner.« Kaye hatte inzwischen das Ende des Ganges erreicht, ohne dass sich das Paar von der Stelle gerührt hätte.
    »Entschuldigen Sie, ich bin verabredet.« Kaye presste die Handtasche an die Hüfte.
    »Haben Sie Ihren Frieden mit Gott gemacht?«, fragte die Frau.
    Der Mann hob die Hand, als wolle er Kaye segnen. »Wir verlieren unsere Familien, die die Familien Gottes sind. Durch unsere Sünden, die Homosexualität und Promiskuität, die Nachäffung der Araber und Juden, die Anbetung der heidnischen Götter des weltweiten Netzes und des Fernsehens, kommen wir vom Pfad Gottes ab. Und Gottes Strafe folgt auf dem Fuße.« Mit finsterem Blick schwenkte er die Hand, um auf die Audio-Bücher auf den Regalen zu

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