Die Datenfresser
könnte. Also muß ein Mensch in vielen Fällen die Ergebnisse ansehen und entscheiden, ob auch er der Tendenz zustimmt. Selbstverständlich ist diese Zusammenarbeit auch bei immer wieder auftauchenden Fehlmeldungen des Computers noch weit effizienter, als wenn ein Mensch ganz allein den Wust der Daten überblicken und korrelieren müßte. Und die lernenden Algorithmen unterscheiden sich in einem ganz wesentlichen Punkt von früheren Versuchen des mathematischen Realitätsabbildes: Sie lernen tatsächlich aus den Fehlern, die ihnen mitgeteilt werden. Das kann die Ablehnung eines Kaufvorschlages beim Online-Buchhändler sein oder die fälschliche Klassifizierung eines Menschen als potentiell gefährlicher Bösewicht. Machine Learning beruht genau auf dieser Fähigkeit, sich vom Menschen helfen zu lassen. Die mathematischen Einsortierungen von digital erfassten Ereignissen, von Datenveränderungen und menschlichen Aktivitäten werden nach und nach automatisch angepasst, je nachdem, was vom Menschen implizit oder explizit als korrekt oder fehlerhaft angegeben wird.
Computerisierte Analysen sind wir mittlerweile gewohnt, sie begegnen uns fast täglich. Die Vorschläge der automatischen Empfehlungen bei Online-Buchhändlern sind uns vertraut, auch deren noch offensichtliche Unzulänglichkeiten mit zuweilen humoristischem Charakter. Obwohl über viele Menschen schon jahrelang Kauflisten angelegt wurden, sind manche der Angebote noch immer belustigend, wenn etwa dem Biologen, der sonst meist Fachbücher und zuweilen elektronische Geräte ersteht, italienische Kochbücher angedient werden.
Die Funktionsweise der Vorschlagsalgorithmen scheint nachvollziehbar, da uns offenkundig angeboten wird, was Kunden mit ähnlichen Interessen außer dem Produkt, das wir gerade anklicken, sonst noch gekauft haben. Der besagte Wissenschaftler wird eben eine gewisse Menge an Kollegen haben, die gern in die Toskana reisen oder eben Spaghetti-Rezepte mögen. Vergleichbares kennen wir beim musikalischen Geschmack oder bei Vorlieben für kulturelle Ereignisse, bei denen ebenfalls häufig von getätigten Kaufentscheidungen auf die Neigungen der nächsten vorbeisurfenden potentiellen Kunden geschlossen wird.
Das dunkle kleine Geheimnis hinter dieser Offensichtlichkeit ist die Täuschung über die eigentliche Funktionsweise der Empfehlungsmechanismen. Die Empfehlungen sind mitnichten nur dadurch gesteuert, was andere Kunden gekauft haben. Die Reihenfolge der anhand der Ähnlichkeit im Kundenverhalten ausgewählten Produkte wird vielmehr auch danach priorisiert, welche Produkte und Bücher gerade abverkauft werden sollen, ob der Verlag eine spezielle Hervorhebungsgebühr gezahlt oder dem Online-Buchhandel einen größeren Rabatt eingeräumt hat. Was als Empfehlung daherkommt, die ausschließlich auf der Auswertung von Kundenverhalten beruht, ist in Wahrheit nur ein Teil der Parameter, die in den Algorithmus einfließt. Die Umsatzmaximierung nimmt einen mindestens ebenso großen Raum ein. Das geht so weit, daß nicht allen Kunden der gleiche Preis offeriert wird. Je nach Einkaufshistorie, Suchbegriffen und aktueller Priorisierungsliste für den Abverkauf wird der angezeigte Preis dynamisch angepaßt.
Mit Abertausenden Datensätzen von Suchanfragen, virtuellen Shop-Besuchen und Einkäufen können einfache Zusammenhangslogiken erheblich erweitert werden. Das daraus extrahierte Detailwissen und gemessene Verhaltensweisen über bestimmte Zeiträume hinweg können genauere und vor allem profitablere Vorschläge hervorbringen. Daran wirken viele fleißige Kundenhände selbst mit, indem sie Gekauftes bewerten, Punkte vergeben, Kommentare schreiben. Dabei liefern sie Stichworte und Themenkategorien gleich mit. Diese semantischen Einordnungen können Menschen deutlich besser als Maschinen, entsprechend werden Kunden gern dazu animiert, genau das zu tun.
Jede Suchanfrage ist eine Antwort
Der Anbieter, der seit Anbeginn das menschliche Wissen umfangreich nutzt, ist Google. Der Altmeister der Individualisierung und Auswertung des Such- und Surfverhaltens optimiert die Ergebnisse der Google-Suche fortwährend aufgrund der Nutzeranfragen. Gleiches gilt für die eingeblendeten Werbeanzeigen, die dahingehend analysiert werden, ob und nach welcher Suchanfrage die Nutzer auf sie klicken. Jede einzelne Bewertung der angezeigten Suchergebnisse wird von Google erfaßt und verwertet, ob sie explizit durch Anklicken eines der Links auf der ersten Seite oder implizit
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