Die Datenfresser
archiviert und weiterverbreitet wurde, darauf hat er keinen Einfluß. Die Eltern haben ihrem Nachwuchs damit seine digitale Mündigkeit über den ersten Teil seines Lebens schon vorgreifend auf die Zukunft verwehrt. Denn was einmal ins Netz entfleucht ist, kann man kaum wieder einfangen.
Die Daten-Warenhäuser
In Unternehmen werden alle anfallenden Daten schon seit etlichen Jahren in sogenannten Data Warehouses erfaßt. Egal, ob firmeninterne Memos und E-Mails, Logistikvorgänge, Präsentationen, Zahlungsbewegungen, Kundenkontakte bei der Hotline oder Daten über Besuche auf der Firmenwebseite – immer mehr Konzerne sind dazu übergegangen, einfach alles zu speichern, um Material für spätere Analysen zu haben. Die Großen der IT -Branche – ob Oracle, SAP , IBM oder HP – bewerben mit großer Ausdauer und vielen Versprechen ihre jeweils neueste Produktgeneration, die aus diesen Datenbergen verwertbare Informationen extrahieren soll. Wie schon zuvor die Geheimdienste, sind viele Konzerne an einem Punkt angelangt, an dem der kritische Faktor nicht mehr die Verfügbarkeit der Daten ist, sondern die Kunst, die richtige Frage zu stellen, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Die Algorithmen zur automatischen Generierung von Wissen aus den Datengebirgen werden langsam besser – gerade aufgrund der Verfügbarkeit der Informationsmengen.
Die Kosten für die Speicherung großer Datenmengen sind zwar gering, aber natürlich nicht bei Null. Der Betrieb der dafür nötigen Rechenzentren kostet Geld, es müssen Sicherheitskopien angelegt werden, um Datenverluste zu verhindern. Die Software für große Datenbanken muß auch bezahlt, gepflegt, erweitert und gewartet werden. Die Entscheidung, welche Daten aufgehoben werden, fällt also nicht primär nach ihrer Menge, sondern nach ihrer potentiellen Nützlichkeit. Gerade Daten, aus denen sich das Verhalten von Kunden oder Mitarbeitern über längere Zeiträume ersehen läßt, sind von hohem monetären Wert. Die effiziente Verarbeitung führt dabei zu einer Individualisierung der Datenauswertung, die auf den einzelnen Menschen gerichtet ist. Der Wert der Menschenprofile ist so erheblich, daß etliche Firmen sogar ein klein wenig Geld an die Kunden abgeben, um zum Beispiel ein genaues Profil ihrer Einkäufe erstellen zu können.
Das heißt dann Rabatt- oder Loyalitätskarte. Jedesmal, wenn die Karte beim Einkauf des Kunden zum Einsatz kommt, wird die detaillierte Zusammensetzung des Warenkorbes gespeichert und dem Kunden zugeordnet. Schon nach wenigen Wochen lassen sich daraus umfangreiche Schlußfolgerungen über den Kartenbesitzer ziehen. Wie hoch ist seine tatsächliche Kaufkraft? Kauft er vorzugsweise Sonderangebots- und Discount-Artikel und vielleicht selten mal einige wenige Luxusartikel? Ist er eher ein Centfuchser oder doch jemand, der nach Qualität kauft und dem der Preis offenbar egal ist? Wann wird eingekauft? Zu welcher sozialen Gruppe gehört der Konsument? Der frühe Nachmittag weist eher auf Rentner, Hausfrauen oder Arbeitslose, der frühe Abend häufig auf regulär Angestellte, der späte Abend auf Selbständige, Freiberufler oder höhere Gehaltsklassen. Für wie viele Menschen mit welchen Gewohnheiten und Vorlieben kauft der Besitzer der Karte ein? Wie hat sich das Kaufverhalten in den letzten drei Jahren verändert? Welche Prämien nimmt der Kunde für seine gesammelten Treuepunkte in Anspruch? Loggt er sich oft auf der entsprechenden Webseite ein, um zu schauen, wie viele Punkte schon angehäuft sind und was er dafür bekommen kann?
All diese Informationen lassen sich automatisiert aus den gesammelten Daten gewinnen und übersichtlich darstellen. Die Menge der tatsächlich zu speichernden Rohdaten pro Kunde ist dabei recht gering. Selbst für enthusiastische Power-Shopper paßt die Liste aller Rabattkarten-Transaktionen eines Jahres auf ein paar dutzend Seiten, am Ende auf ein Eckchen einer Festplatte. Es macht also keine Mühe und verursacht so gut wie keine Kosten, die Daten einfach für immer aufzuheben. Wer weiß schließlich, was sich daraus in ein paar Jahren noch für interessante Schlüsse ziehen und welche Prognosen und vorher nicht bekannten Zusammenhänge sich daraus berechnen lassen?
Kopfkissen und Kreditkarten
Ein typisches Beispiel für dieses Verhalten sind internationale Oberklasse-Hotelketten. Diese legen für jede Buchung einen Datensatz an und schauen automatisch nach, ob der Kunde bereits bekannt ist. Alle
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