Die Datenfresser
aufzuheben und für Werbezwecke zu verwenden. Google läßt sich dafür achtzehn Monate Zeit, danach sollen sie nicht mehr Personen zugeordnet werden können.
Der technische Grund für das effektive Nichtlöschen ist im Design der Software und Datenbanken zu suchen, auf denen Systeme wie Facebook betrieben werden. Man kann sich das als ein dichtes Gewebe von Verbindungen zwischen allen Datenschnipseln innerhalb eines Systems vorstellen. Wenn ein Nutzer etwa ein Bild von seiner Kamera hochlädt, erhält es zunächst einige Metainformationen angehängt: zu welchen Profil gehört das Foto, wann wurde es dort abgelegt. Das Foto wird vielleicht zusätzlich mit den Informationen annotiert, wer darauf zu sehen ist. Schon gibt es Verbindungen zu den Profilseiten dieser Personen und natürlich auch zurück von dort zum Foto. Wenn nun jemand das Bild kommentiert, antwortet jemand anderes vielleicht darauf. Auch diese Informationshappen werden mit dem Foto verknüpft. Ein zweites Bild wird dann von einem anderen Nutzer eingestellt und verlinkt, das vielleicht auf derselben Party gemacht wurde. Es entsteht eine Verbindung zur Event-Seite der Party.
Wenn nun eines der Bilder gelöscht wird, müßte das gesamte Verbindungsknäuel aus Metainformationen, Kommentaren und Verlinkungen aufgelöst werden. Alle Links müßten entfernt, die entsprechenden Einträge modifiziert werden. Das kostet Zeit, Aufwand und Personal, bringt aber keinen Mehrwert für den Anbieter. Denn schnell kann so eine Löschung eines einzelnen Datenfragments Hunderte andere Fragmente beeinflussen oder gar zu unauflösbaren Konflikten führen. Soll man etwa den Kommentar zu dem Bild mitlöschen, der ja eigentlich von jemand ganz anderem stammt? Wenn man das Problem nicht im ursprünglichen Design des Systems mit eingeplant und berücksichtigt hat – was nahezu kein Anbieter getan hat –, ist es kaum sinnvoll zu lösen, ohne daß die Nutzer meutern und die Last auf den Servern enorm anwächst. Daher arbeiten die meisten Systeme so, daß die Daten nicht wirklich gelöscht, sondern nur verborgen werden.
Die virale Streisand-Villa
Wesentlich für viele Menschen ist die Frage, wie lange etwaige Ungeschicklichkeiten, Mißgriffe oder kompromittierende Bilder für ihre Freunde oder gar für jeden, der im Internet sucht, verfügbar sind. Um die oft gestellte Frage »Wie lösche ich etwas aus dem Internet?« beantworten zu können, müssen wir uns zuerst den Grundsätzen der Aufmerksamkeitsökonomie im Netz zuwenden.
Aus dem Meer von Bildern, Videos und Texten im Netz werden jeden Tag etliche hochgeschwemmt, die plötzlich die Aufmerksamkeit von vielen Menschen erregen. In der Regel sind es Informationen, die lustig, Schadenfreude provozierend, schockierend oder besonders niedlich sind, die auf schreiende Ungerechtigkeiten hinweisen oder von ungerechtfertigter Zensur bedroht zu sein scheinen. Voraussetzung für das Überschreiten der Aufmerksamkeitsschwelle ist eine gewisse emotionale Intensität und ein Format, welches die Aufmerksamkeit des Rezipienten nicht zu lange beansprucht. Unter diesen Bedingungen kann ein Bild oder Video »viral« werden, also massenweise per E-Mail, Facebook-Nachricht oder Twitter wieder und wieder weiterverbreitet werden. Informationen, die viral werden, sind praktisch nicht mehr aus dem Netz zu entfernen. Sie tauchen binnen Stunden auf Hunderten Blogs und Webseiten auf.
Besonders nachhaltig geschieht dies, wenn die Nutzer zu dem Schluß kommen, eine Nachricht, ein Bild oder ein Video solle mit juristischen oder sonstigen Mitteln aus dem Netz zensiert werden, ohne daß es dafür einen akzeptablen Grund gibt. Dann wird die inkriminierte Webseite häufig binnen Minuten tausendfach gespiegelt, über Länder und Kontinente hinweg. Dieses Phänomen wird allgemein »Streisand-Effekt« genannt und geht auf die Schauspielerin Barbra Streisand zurück. Diese hatte auf gerichtlichem Wege versucht, ein Bild ihrer Strandvilla aus einer Online-Bildkollektion tilgen zu lassen, die den Fortschritt der Erosion an der kalifornischen Küste dokumentiert. Die Aufmerksamkeit, die dem Fall durch große Online-Medien zuteil wurde, führte zu einem vieltausendfachen Auftauchen des Bildes auf Webseiten in aller Welt. An ein Löschen war nicht mehr zu denken.
Zum Glück für Betroffene, die beispielsweise das Pech haben, daß sie in einer peinlichen oder Schadenfreude provozierenden Situation gefilmt wurden, das Video davon ins Netz gelangt ist und viral
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