Die Datenfresser
Netzökonomie dieselben, die nicht müde werden zu betonen, daß die analogen Zeiten vorbei seien, in denen wir noch selbst bestimmen durften, was wir von uns preisgeben – Privacy is dead, you know. Die Mehrheit der Netznutzer interessiere sich einfach nicht für Privatheitsverletzungen – das sei halt nun so, die modernen Zeiten eben. Doch schauen wir uns die wichtigsten Vorreiter und ihre Interessen etwas näher an.
Einer der ersten aus der Wirtschaft, die sich trauten, öffentlich das Ende der Privatheit zu verkünden, war 1999 Scott McNealy, der damalige Chef des Computerkonzerns Sun. »You have zero privacy anyway, get over it«, kanzelte er Kritiker ab, die nach den Privatsphären-Vorkehrungen in einem damals neuen Angebot von Sun fragten, das die Daten aus verschiedenen Computern und Mobilgeräten über die Server der Firma synchronisieren sollte. Sein Kommentar zur obsoleten Privatheit, den er auf der Einführungsveranstaltung der kritisierten Software abgab, erlangte traurige Berühmtheit. Sun, ein mittlerweile altehrwürdiges Silicon-Valley-Unternehmen, war mit der Entwicklung von teuren, aber leistungsfähigen Computern und Servern groß geworden, die für lange Zeit der Quasi-standard bei Telekommunikationsunternehmen, Banken und dann auch Internetunternehmen waren.
Die Rechnung für Sun war einfach: Je mehr Informationen die Nutzer hinterlassen, je freigiebiger sie mit ihren Daten umgehen, desto mehr Server werden Suns Kunden kaufen. Da 1999 bereits klar war, daß viele aus der ersten Welle der neugegründeten Internetunternehmen kein funktionsfähiges Geschäftsmodell für tragfähigen Umsatz entwickeln konnten, lag es im ureigenen Interesse von Sun, das damals noch recht neue »Bezahlen mit Daten«-Modell zu befördern, um ihre Kunden vor der Pleite zu bewahren und dabei die eigenen Umsätze zu erhöhen.
Für Sun hat es am Ende nicht gereicht, und McNealy ist nicht der Prophet, für den ihn einige hielten. Die Firma wurde von der Oracle Corporation gekauft, einem der größten Hersteller von Software für Datenbanken und Informationsauswertung. Die Führung des Unternehmens vermarktet zu den verkauften Technologien ebenfalls die passende Ideologie. Oracles Boß, der Multimilliardär Larry Ellison, haut im Interview mit dem Magazin Playboy in dieselbe Kerbe wie vor ihm McNealy: »Privacy is an illusion.« Durch die langjährige Erfahrung als großer Datenauswerter muß er es wohl wissen. An anderer Stelle erklärt er einem Journalisten: »Trust me, your data is safer with me than with you.« Wir können also alle ganz beruhigt sein.
Oracle ist einer der größten Profiteure der anschwellenden Datenflut der letzten Jahre. Praktisch jedes große Unternehmen setzt die Produkte des Anbieters ein, nicht nur zur Speicherung der Daten, auch bei der Auswertung und Verknüpfung von Informationen ist Oracle weit vorn dabei. Die Preise für die angebotenen Produkte orientieren sich letztlich daran, wie viele Daten der Kunde verarbeitet. Je mehr ein Oracle-Kunde speichert, je intensiver er die festgehaltenen Daten verknüpft und je aufwendiger die Verknüpfungen sind, desto mehr Geld verdient Oracle. Die Datenbanken und Software-Produkte des Konzerns sind die Mechanik hinter den Systemen vieler Datenfresser in allen Branchen und Industrien. Larry Ellison hat also ebenfalls sehr gute Gründe, der Öffentlichkeit einzureden, daß es ohnehin keinen Sinn ergeben würde, auf seine Privatsphäre zu achten.
Wenn in den USA in den letzten Jahren über Fragen der Privatheit und Anonymität im Netz gestritten wurde, schlugen sich sowohl McNealy als auch Ellison stets auf die Seite der Datensammler. Sie sprachen sich unisono für ein in Amerika bisher nicht übliches nationales Identifizierungssystem aus, das vernetzt arbeiten sollte. Ellison setzt sich explizit dafür ein, die verschiedenen Karten, die in den USA zur Identifikation gebraucht werden, zu vereinheitlichen, deren Informationen zusammenzuführen und ein nationales Personenregister anzulegen. Seine Begründung zielt vor allem auf effizientes staatliches Verwalten, wofür er dem Staat sogleich die passende Software andiente. Der potentielle Nutzen für die eigene Firma ist zu augenfällig, um übersehen zu werden. Er betrifft aber eben nicht nur den direkten Verkauf der eigenen Produkte, sondern zugleich die schleichende Veränderungen der Bedingungen, unter denen Daten verarbeitet werden dürfen.
Zuckerberg im Datengebirge
Der jüngste in der Runde der
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