Die Datenfresser
paar Mausklicks ist es getan. Wenn mehr Computer gebraucht werden, wenn mehr Daten zu speichern sind, ist innerhalb von Minuten mehr Kapazität buchbar. Ein wichtiger Nebeneffekt davon ist, daß sich die Daten nicht mehr unter der unmittelbaren Kontrolle des beauftragenden Unternehmens befinden. Sie lagern nicht nur über die Welt verteilt, sie werden vom Anbieter des Cloud-Services auch je nach Last und geographischer Verteilung der Zugriffe von Rechenzentrum zu Rechenzentrum verschoben. Schon allein die Frage, unter welcher Jurisdiktion welchen Landes die Daten gerade gehortet werden, ist schwer zu beantworten. Auch nach der Auflösung eines Mietvertrages können Sicherheitskopien der Daten noch für Jahre in den Systemen der Anbieter herumliegen, ohne daß der ehemalige Kunde davon Kenntnis, geschweige denn die Kontrolle darüber hat.
Gleiches gilt für E-Maildaten. Die großen Anbieter, allen voran Google Mail, bieten schier endlose Mengen Speicherplatz, eine gut funktionierende Nutzeroberfläche und die Möglichkeit zur schnellen Volltextsuche in den eigenen E-Maildatenbeständen. Der Preis dafür ist, daß Google die Mails nach werberelevanten Stichworten durchsuchen kann, um dann zum Inhalt der Nachrichten passende Werbung einzublenden. Die E-Mails selbst aber liegen irgendwo in Googles schier endlosen Datenhalden. Wonach sie genau wann durchsucht und ob dabei wirklich nur automatisiert Werbestichworte ermittelt werden, bleibt allein Googles Geheimnis.
Die Daten-Identität
Die Gesamtheit unserer erfaßten, preisgegebenen und zurückgelassenen Daten ist ein verzerrtes Spiegelbild der eigenen Identität. Unser digitaler Schatten wächst, wenn wir nicht aufpassen, relativ unkontrolliert weiter und beginnt im schlimmsten Fall – wie bei Scoringwerten oder kompromittierenden Informationen – ein Eigenleben zu entwickeln. Denn die Kerneigenschaften von digitalen Daten sind Beweglichkeit und Persistenz. Sie gleiten flüchtig und schnell durchs Netz und bleiben für lange Zeit an vielen Orten gespeichert.
Der wichtigste Schritt zur Rückeroberung der eigenen digitalen Mündigkeit ist daher: kritisch hinterfragen, welche Daten über uns wirklich erfaßt, preisgegeben und womöglich für die digitale Ewigkeit irgendwo gespeichert werden müssen. Daten sind nicht nur Futter für die Algorithmen, die unser Leben immer weiter bestimmen, sie sind auch Macht über unser eigenes Schicksal. Es aus der Hand zu geben, auf den Gestaltungsspielraum zu verzichten – oder ihn gar für unsere Kinder leichtsinnig zu vernichten –, indem wir alles leichtsinnig und bedenkenlos dem digitalen Gedächtnis anvertrauen, ist sicher nicht weise.
4. Die Datenprofiteure –
Nutznießer und Propagandisten des »Endes der Privatsphäre«
Das eigene Profil, die persönlichen Bilder, die Verbindungen zu Freunden werden zur Ware mit klar bezifferbarem Preisschild. Denn die Maschinen und Algorithmen, denen wir intimste Daten anvertrauen, sollen zum Sargnagel der Privatheit werden, wenn es nach denen geht, die ihr Geld mit diesen Profilen verdienen. Ohne den Hintergrund der Monetarisierung von Nutzerdaten zu kennen, sind die in den letzten Jahren so häufig erschallenden Proklamationen vom »Ende der Privatsphäre« nicht zu verstehen. Es lohnt ein genauer Blick, wer davon profitiert. Nur so lassen sich die Motivationen für die angestrebte großflächige Veränderung gesellschaftlicher Standards und Selbstverständlichkeiten einordnen.
Eine tiefgreifende Änderung von Sitten und Gebräuchen ist nie ein linearer, einfacher gesellschaftlicher Prozeß. Weder wird er allein vom Gewinnstreben der Unternehmen getrieben, noch entsteht die Änderung im Umgang mit der eigenen Privatsphäre in Teilen der Online-Generation spontan und von selbst. Vielmehr ist hier ein Zyklus der Verführung beobachtbar, der auch im MyBelovedPet-Beispiel in Kapitel 1 schon deutlich wurde. Die Anbieter versuchen, eine immer stärkere Nutzerbindung zu erreichen, um ihren Firmenwert zu steigern. Am besten geht das, sobald ein »Jeder ist da«-Effekt erreicht wird. Dabei gibt es einen natürlichen Konzentrationseffekt: Kaum jemand tummelt sich in mehr als einer Handvoll Social Networks gleichzeitig. Doch dort, wo schon viele Nutzer sind, kommen auch deren Freunde dazu.
Die gierigen Propheten
Eine genauere Betrachtung der lautesten Propagandisten des angeblich nahenden Endes der Privatsphäre offenbart Erstaunliches. Nicht zufällig sind die Profiteure der
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