Die Datenfresser
Fingerabdruck nachmachen?« werden sich viele fragen. Dummerweise ist das ganz einfach.
Biometrische Fingerabdruck-Sensoren erfassen mit verschiedenen Methoden die Papillarmuster. Meist wird von unten ein Bild des Fingers gemacht, während er gegen eine beleuchtete Glasfläche gepreßt wird. Dabei zeichnen sich die Täler und Berge des Linienmusters der Fingerkuppe ab und können digital erfaßt werden. Eine andere Methode sind Sensoren, die an Tausenden mikroskopisch kleinen Kontaktpunkten den elektrischen Widerstand messen. Dort, wo gerade ein Berg der Fingerkuppe aufliegt, also direkter Kontakt zur Haut besteht, ist der elektrische Widerstand geringer als dort, wo im Tal ein minimaler Luftspalt den Stromfluß behindert.
Eine der Eigenschaften, die gerade Fingerabdrücke fundamental ungeeignet für Sicherheitsanwendungen machen, ist der Fakt, daß wir sie täglich überall hinterlassen. Die Fettschicht auf der Haut der meisten Menschen bleibt an Gegenständen haften, die wir berühren. Ein Fingerabdruck auf einem Glas ist physikalisch betrachtet eine strukturierte Ablagerung von Ölen und Fetten in der Form der Papillarmuster der Fingerkuppe. Bei jeder Berührung eines glatten Objektes bleibt ein solcher Abdruck zurück. Mit Hilfe recht einfacher Mittel kann ein Fingerabdruck – besonders leicht von glatten Oberflächen – abgenommen und weiterverarbeitet werden. Es eignet sich beispielsweise dafür ein Glas oder eine Tasse.
Eine auch bei Kriminalisten sehr beliebte Methode ist es, die Dämpfe von Sekundenkleber einen Moment auf einen hinterlassenen Abdruck einwirken zu lassen. Die Dämpfe reagieren mit den Fettablagerungen des Fingerabdrucks zu einer weißen Substanz, die sich gut fotografieren oder auch mit Klebeband abnehmen läßt. Das Foto des Fingerabdrucks wird dann in einem normalen Bildbearbeitungsprogramm verbessert, nachbearbeitet und damit deutlicher gemacht, bis sich die Papillarmuster sauber abzeichnen. Wenn man das einmal selbst probiert hat, stellt sich schnell heraus, wie einfach die Arbeitsschritte sind, um den Abdruck in dieser guten Qualität vorliegen zu haben.
Das so entstandene Fingerabdruckbild wird dann mit einem Laserdrucker auf eine Folie gedruckt. Der Toner des Laserdruckers bildet auf der Folie ein genaues Berg- und Tal-Muster, das den Papillarmustern des Fingers entspricht, nur ist das Bild invertiert. In diese ausgedruckte Vorlage streicht man nun etwas Latex-Holzkaltleim und läßt ihn trocknen und aushärten. Vorsichtig von der Folie abgezogen und mit Maskenkleber aus dem Schauspielerbedarf auf einen Finger geklebt, überlistet eine solche preiswert und ohne viel Aufwand erstellbare Fingerabdruckattrappe praktisch alle am Markt befindlichen Fingerabdruck-Biometriesensoren.
Der Sensor »sieht« oder »mißt« genau wie bei einem echten Finger das Berg- und Tal-Bild der Attrappe und erfaßt die Merkmale, die zur Authentifizierung notwendig sind, die sogenannten Minutien. Das sind besonders charakteristische Verzweigungen im Papillarmuster des Fingers, etwa wo Linien und Rillen aufeinandertreffen. Sobald das biometrische System genügend dieser Minutien erkannt hat, kann es nach gleicher Konstellation der Merkmale zueinander in seiner Datenbank suchen und den Nutzer einlassen oder abweisen.
Dadurch, daß die dünne Latex-Attrappe auf einen echten Finger geklebt wird, werden auch viele der üblichen Methoden zur sogenannten Lebenderkennung unterlaufen. Die Lebenderkennung soll verhindern, daß jemand zum Beispiel mit einem abgetrennten Finger eines berechtigten Nutzers das System täuscht. Da unter dem dünnen Latex-Häutchen eines nachgemachten Fingerabdrucks aber ein lebendiger Finger mit der richtigen Temperatur, Schweißdrüsen und pulsierendem Blut steckt, kann so manche Lebenderkennung wenig ausrichten.
Festzuhalten bleibt, daß biometrische Erkennungssysteme in der Praxis selten die versprochene Sicherheit der Identifizierung bieten, wie sie in den Hochglanzbroschüren der Hersteller versprochen werden. Das hält die wichtigsten Käufer der Technologien natürlich nicht davon ab, Biometrie als vorgebliche Sicherheitstechnologie in immer mehr Bereichen einzusetzen.
Grenzszenarien: Individualität heißt Identifizierbarkeit
Einige Körpermerkmale bestehen ein Leben lang. Werden sie digital festgehalten, bleiben sie also dem Menschen über Jahre hinweg zuzuordnen, was ein großer Vorteil für die Datensammler ist.
Der Siegeszug der Biometrie geht einher mit der
Weitere Kostenlose Bücher