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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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Fußgängern über den Erfassungsbereich mehrerer Kameras hinweg, stellt technisch kein Problem mehr dar. Wenn eine Person einmal als »interessant« angesehen wird, ist es ein leichtes, sie über die Videoströme aus vielen Kameras in einem Gebiet zu verfolgen. Sogar die Steuerung von schwenkbaren Kameras kann die Software übernehmen, so daß der Verdächtige von Kamera zu Kamera »weitergereicht« werden kann und immer im Bild bleibt.
    Die Techniken sind jedoch noch lange nicht perfekt. Oft genug kommt es gerade in Menschenmengen zu Fehlzuordnungen, Verwechslungen oder zum virtuellen Verfolgen der falschen Person. Auch die automatische Erkennung von kritischen Situationen, wie etwa herumstehende Gepäckstücke, die keinen offensichtlichen Eigentümer aufweisen, funktioniert alles andere als zuverlässig. Bei entsprechender organisatorischer Einbettung unter Kenntnis der Schwächen der Systeme entsteht jedoch eine neue Qualität der Überwachung.
    Es geht nicht länger darum, ob jemand tatsächlich etwas Illegales tut. Es geht nur noch um die Abweichung von der Norm. Software durchforstet die aufgezeichneten Bilder, findet und analysiert Gesichter und gibt dem menschlichen Überwacher nach vorher programmierten Parametern Abweichungen vom Normverhalten zur Kenntnis. Sie löst Automatismen aus und sorgt so für verstärkte Aufmerksamkeit durch die Beobachter. Auch nur marginal abweichendes Verhalten, wie etwa im Eilschritt im Einkaufszentrum zum gewünschten Laden zu hasten, löst mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisch eine intensivierte Beobachtung und Aufzeichnung aus.
    Die Erzwingung von Verhalten, das der erwarteten, programmierten Norm entspricht, ist oft genug subtil. Am deutlichsten wird das in öffentlichen Räumen in privatem Besitz, etwa in Einkaufszentren. Die in der Regel restriktiven Vorgaben der Hausordnung und ungeschriebene Gepflogenheiten werden hier mit Nachdruck und Methoden durchgesetzt, die im allgemeinen öffentlichen Raum so nicht akzeptiert werden würden. Biometrieunterstützte Kamerasysteme werden von Shopping-Centern, in Spielkasinos, Bahnhöfen und Sporteinrichtungen mit großem Enthusiasmus installiert und regelmäßig modernisiert.
    Die Erfassung, Auswertung und Wiedererkennung von körperlichen Merkmalen wird in immer mehr Fällen verwendet, um den Einsatz von menschlicher Arbeitskraft zu reduzieren. An die Stelle des Pförtners, der noch jeden Mitarbeiter kannte und morgens begrüßte, trat zuerst ein unterbezahlter Wachschutzmitarbeiter, der nur noch stumpf die Ausweise kontrollierte. Sein Job wird nun durch eine elektronische Personenschleuse ersetzt, die Gesichter und Fingerabdrücke mit gespeicherten Daten vergleicht. Der Wachschützer soll statt dessen die Monitore des Videoüberwachungssystems beobachten, um bei Auffälligkeiten und Anomalien einzugreifen. Immer mehr Kameras werden installiert, die Kosten für Aufstellung und Betrieb schrumpfen dank der Internettechnologien immer weiter. Niemand könnte mehr alle Bilder von allen Kameras aufmerksam beobachten – aber das ist auch nicht der Sinn des Einsatzes.
    Die Bewegungs- und Verhaltenserkennung auf Videoströmen wird insbesondere deshalb eingesetzt, um die Aufmerksamkeit des Beobachters auf die Kamerasignale zu lenken, auf denen die Algorithmen eine Unregelmäßigkeit ausgemacht haben. Auch hier kommt Biometrie ins Spiel. Neben einfachen Methoden, wie etwa dem Erkennen schneller Bewegungen, die auf ein außergewöhnliches Ereignis hinweisen, werden immer mehr Systeme verwendet, die nach Auffälligkeiten in Bewegungsmustern, in der Körperhaltung oder im allgemeinen Verhalten der Menschen suchen.
    Die Techniken, um in Kamerabildern bestimmte Personen anhand ihres Ganges, ihrer Kleidung, ihrer Frisur und des Gesichts zu verfolgen, sind mittlerweile weit gediehen. Dabei geht es zum einen um die Wiedererkennung von Menschen, die zum Beispiel in einem Einkaufszentrum oder einem Spielkasino Hausverbot haben. Die Techniken hierzu sind derzeit noch von künstlich herbeigeführten idealen Beleuchtungs- und Blickwinkelsituationen abhängig. So werden die Eingangsbereiche von Spielkasinos so gestaltet, daß die Besucher aus dem gleichen Blickwinkel und optimal beleuchtet aufgenommen werden können, damit die Gesichtserkennung gute Ergebnisse liefern kann.
    Die Kriterien, nach denen Besucher von Computeraugen aussortiert und als potentiell problematisch markiert werden, sind kaum öffentlich bekannt und damit schwer kontrollierbar.

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