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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz
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der Fingerabdrücke sind zur globalen Speicherung freigegeben.

Diskriminierung und Schildbürger
    Um Biometrie für Authentifizierungssoftware nutzbar zu machen, müssen Kriterien ersonnen werden, um die menschlichen Merkmale sinnvoll erfassen zu können. Viele dieser Regeln sind zunächst einfacher Natur: Dem Benutzer wird etwa bei der Erfassung des Gesichtsbildes der Neigungswinkel des Kopfes vorgeschrieben, und der Fotograf erhält klare Vorgaben für die Ausleuchtung des Gesichts. Oft wird zusätzlich ein neutraler Gesichtsausdruck verlangt.
    Menschliche Gehirne können ohne Probleme das Gesicht einer lachenden und einer ernst dreinblickenden Person demselben Menschen zuordnen, Maschinenalgorithmen können dies jedoch nicht ohne weiteres. Im Falle der Gesichtserkennung muß zusätzlich vorab gemessen werden, welche Kopf- und Gesichtsformen für die biometrische Erkennungssoftware geeignet sind. Höhen- und Breitenvorgaben werden also spezifiziert. Doch leider fügen sich die menschlichen Maße nicht immer dem Willen des Programmierers.
    Ein Beispiel ist die Einführung des biometrischen Passes in Deutschland: Hier wurde die Bildhöhe für das abzugebende Foto vom Kinn bis zum Haaransatz auf mindestens 32 Millimeter und höchstens 36 Millimeter festgeschrieben. Fotografen bereiteten diese Vorgaben Kopfzerbrechen, denn die Köpfe von etwa zehn Prozent der Kunden wollen einfach nicht in dieses Raster passen. Ihre Paßfotos würden aufgrund der neuen Richtlinien in den Meldeämtern abgelehnt werden. Die Gesichter der Abgelehnten wären schlicht zu lang, zu kurz, zu breit oder zu schmal. Da Abhilfe nur schwerlich dadurch zu schaffen wäre, das Gesicht chirurgisch zu verändern, wählten die Fotografen einen anderen Weg. Sie suchten sich technologische Hilfe.
    Da heute ohnehin ein großer Teil von Fotografien digital nachbearbeitet und optimiert wird, mußten die Fotografen nur noch im selben Arbeitsgang per elektronischer Schablone prüfen, ob das Paßfoto den biometrischen Richtlinien entspricht. Der Kopf wird dann mit Hilfe digitaler Bildbearbeitung etwas gestaucht oder das Gesicht schmaler gemacht. Dem menschlichen Betrachter fällt das in den meisten Fällen gar nicht auf.
    Aus Sicht der biometrischen Erkennungssysteme ist dies jedoch ein veritabler Schildbürgerstreich. Denn vermessen werden für das Wiedererkennen eines Gesichtes die Abstände zwischen markanten Punkten der Kopffront. Um also ein sinnvolles biometrisches Abbild in das Personaldokument aufzunehmen, müssen die Proportionen des Gesichtes unverändert bleiben. Doch um das normabweichende Gesicht in die Vorlage zu pressen, verändern die Fotografen – kaum oder gar nicht sichtbar – genau diese Proportionen. Ob menschliche Betrachter der Bilder die Veränderung nun erkennen mögen oder nicht, für die biometrischen Algorithmen ist eine Erkennung jedoch kaum mehr möglich.
    Nicht nur bei der Gesichtserkennung gibt es diese Probleme. Auch die Fingerabdruckerkennung kennt Gruppen von Menschen, die nicht in die digitale Norm passen. Alte Menschen oder solche, die manuellen Tätigkeiten nachgehen oder Hautkrankheiten haben, weisen häufig kaum verwendbare Fingerabdrücke auf. In den Meldeämtern müssen Betroffene dann eine aufwendige Prozedur mit mehrfachen Versuchen der Erfassung der Abdrücke über sich ergehen lassen. Erst wenn der Sachbearbeiter ein Einsehen hat und den Knopf für »keine Fingerabdrücke« der Ausweisantragssoftware drückt, endet eine solche Diskriminierung.

Biometrie wird Alltag
    Durch die staatlicherseits betriebenen Biometrievorzeigeprojekte sickert die Technologie allmählich in den Alltag der Menschen. Zwar gibt es noch Gegenwehr, etwa wenn wie im letzten Jahr in Bayern an einer Musikschule Fingerabdruckscanner die Minutien der Kinder erfassen sollten. Das Zutrittssystem, das für ein paar tausend Euro bereits beschafft war, wurde dort aufgrund der Elternproteste wieder abgebaut.
    Dennoch ist der Siegeszug mit Blick auf andere Länder kaum aufzuhalten. Über fünftausend britische Bildungseinrichtungen nutzen bereits biometrische Scanner für ihre Bibliotheken oder Schulen, um das Ausleihen mit Fingerabdrücken statt Bibliothekenausweisen abzuwickeln oder Anwesenheitspflichten zu prüfen. Kritiker weisen nicht zu Unrecht darauf hin, daß besonders Kinder so daran gewöhnt werden, für Alltägliches die eigenen Körpermerkmale anzugeben.
    Viele Computer und einige Mobiltelefone sind heute bereits mit einfachen

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