Die Delegation
zwar von Kanada aus an, mehrmals sogar, wollte die Sendung stoppen, er habe da ungeheure Dinge gefilmt, die müßten da noch mit rein und so weiter. So hat der Ärger mit ihm angefangen. Aber diese zwei Rollen nun noch irgendwann nachzuschieben? – Dann hängt doch alles so in der Luft.« Ich mußte ihm recht geben. Ein herzlicher Händedruck von Kufner:
»Also dann, ich hab’ mich gefreut, Sie mal persönlich kennengelernt zu haben. Tut mir leid, daß wir nicht mehr für Sie tun konnten.«
»Danke, Herr Kufner, Sie haben schon genug getan.« Zumindest im Augenblick.
16
Anruf in München:
»Bedaure, Mister Wingard ist bereits abgereist.«
»Das ist nicht gut möglich, Zimmer 316.«
»Mister Wingard ist nicht mehr im Hause.«
»Hat er eine Nachricht für mich hinterlassen?«
»Ich verbinde mit der Reception.« Keine Nachricht. Auch der Portier bedauerte. »Wissen Sie, wohin er abgereist ist – ich meine, ist er zurück in die Staaten …?«
»Das ist möglich – aber er hat nichts hinterlassen. Er hatte für sechzehn Uhr dreißig ein Taxi zum Flughafen bestellt.« Hatte er erfahren, daß ich zum Sender fuhr, nach Mainz? Vielleicht hatte er hier Verbindungsleute?
Ziemliche Pleite, dieses Unternehmen, zumindest bis jetzt. Vielleicht sollte ich das Ganze besser vergessen, einfach hinschmeißen? Meine persönlichen Investitionen waren im Augenblick ja noch gering. Oder hatte ich mich nicht doch schon sehr für diese Sache engagiert?
War es mehr als nur Neugierde? Ließen sich die Informationen über Roczinski, über ›UFO oder Nicht-UFO‹ in irgendeiner Weise verwenden, zu einem Stoff umfunktionieren, zu einer Geschichte verarbeiten? Ohne das Material des Herrn Wingard wohl kaum. Alles, was ich bisher zu sehen bekommen hatte, war ja nur Vorgeschichte. Wingard spricht von einer Tragödie, Kufner von einer läppischen Sensationsmacherei.
Selbst wenn es mir gelingen würde, die Sache in den Griff zu bekommen: der Fall Roczinski war für diese Kollegen kein Thema, war unverkäuflich, also wertlos. Nur aus Taktik hatte man die Türen für mich so weit aufgemacht: ›Schau her, überzeug dich selbst, mehr ist nicht drin in der Kiste!‹ Vielleicht war wirklich nicht mehr drin. Vielleicht durfte auch nicht mehr drin sein …? Was kostet ein Flug nach Sambia?
Wo auf dieser Welt wandert nun Wingard herum mit seiner schmierigen Tasche, mit seiner ›Bombe‹? ›Nicht mal hundert Dollar wert …‹
Kann man von einem politischen Redakteur Phantasie erwarten? Muß er dem Phantastischen, das in unserer aufgeklärten Welt immer mehr Raum für sich beansprucht, nicht mit konsequenter Feindseligkeit begegnen? Muß er nicht das Irrationale, Unerklärliche, Unfaßbare in Bausch und Bogen ablehnen?
Und ich? Was ich im Augenblick anzubieten habe, das ist keine Story, das sind nur Vermutungen, Empfindungen, Ahnungen.
Drei, vier deutliche Bilder aus einem langen Traum, der sich wieder in die unzugänglichen Wirrnisse des Unbewußten zurückgezogen hat.
Bochum, Oskar-Hoffmann-Straße 34.
Ich versuchte, die Namenschilder unter den Klingelknöpfen zu entziffern, stieg dabei immer höher in diesem schmalen, düsteren Treppenhaus.
Vierter Stock. Nach dem zweiten Klingeln näherten sich schließlich Schritte, die Tür öffnete sich einen Spalt breit. Ich stellte mich vor.
»Weiß mein Mann, daß Sie hier sind?«
Sie war rothaarig, ein intensives, leuchtendes Rot, wie man es nur in Irland zu finden glaubt oder in den späten Filmen von John Ford. Vermutlich auch in den frühen, aber das ist schwer nachzuprüfen, die waren schwarz-weiß.
»Ja, natürlich! Ich habe ihm Bescheid geben lassen, im Studio.
Er muß vor mir in Wiesbaden abgefahren sein. Wundert mich, daß er noch nicht hier ist …«
Nichts wußte Hanniek. Gar nichts! Es sollte eine Überraschung werden. Ich hatte ihn überrumpeln wollen!
Durch Zufall hatte ich mitbekommen, daß die Reise eines Redakteurs nach Sambia auf Freitag verschoben worden war. Wie man eben so etwas hört, wenn man in einem Vorzimmer wartet, in dem die Arbeit weiterläuft, die Sekretärin telefoniert Sambia? Nach Sambia sollte auch Gerd Hanniek fliegen, der Kameramann von Roczinski.
Es war Dienstag früh, ich wartete auf Kufner. Ich hatte eine Liste mit Fragen für ihn vorbereitet, und nun telefonierte die Sekretärin in meiner Gegenwart, organisierte, schmiß den ganzen Laden, war clever und tüchtig, und ich saß dabei, hörte alles, eine Indiskretion, zugegeben, aber es
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