Die Delegation
anderen Stern schwebt über New York. Ein außergewöhnlicher Wirbelwind hatte den Smog auf die Seite geputzt, und was im Morgennebel schon aussah wie ein überdimensionaler Termitenbau, entpuppt sich bei vollem Licht und guter Sicht tatsächlich als Behausung von dreitausendsiebenhundertundvierzehn untereinander verfeindeten Insektenstämmen.
Weiter wagt er sich nicht herunter. Das ist bedauerlich, weil die Details ihm entgehen.
Durch die Bowery fährt ein Sight-Seeing-Bus. Auch in diesem Land sitzen überwiegend Amerikaner in solchen Bussen, und auch hier kommen sie meistens aus der Provinz. Sie stehen auf, quetschen die Nasen platt gegen die Scheiben, damit sie nichts übersehen: die Pennbrüder, die zusammengesackten Säufer am Randstein, die umherirrenden Heroinsüchtigen, die billigsten Huren der Metropole.
Wenn unser Besucher sich bequemen würde, herunterzukommen, herabzusteigen zu den höherentwickelten Wesen dieses Planeten, ich würde ihm für seine Studien New York empfehlen – nicht jene menschenleere Tundra, wo sich höchstens mal eine fotografierende neurotische Lehrerin verirrt oder ein frustriertes Negerehepaar.
Von einer UFO-Landung in New York ist leider nichts bekannt. Hat man die Stadt übersehen? Diese Stadt aller Städte – Metropolis?
Landeplätze gibt es genug. Der Central Park. Das Dach der PANAM. Das sollen nur Vorschläge sein.
Weiter zur Südspitze Manhattans: Battery Park. Blick hinüber zur Freiheitsstatue.
»She is a widow!« Sie ist eine Witwe. Das sagte ein junger Mann mit dem Zeichen der Ostermarschierer auf seiner Brust. Er war Berkeley-Absolvent und als Kriegsdienstverweigerer ein Jahr hinter Gittern gewesen. Er mußte es wissen. »Wir haben zuviel davon exportiert!« Er meinte die Freiheit. »Jetzt wird sie im eigenen Land langsam knapp!« Er sagte: »Wie der Kaviar in der UdSSR.«
Die Freiheitsstatue als Landeplatz? Aber der Herr vom anderen Stern winkte ab. Seine Zielnavigation zum Planeten Erde hatte andere Koordinaten.
Die UNO vielleicht? In den eintausendachthundert Fenstern des Wolkenkratzers der ›Vereinten Nationen‹ spiegelte sich die Sonne.
»Gab es jemals UFO-Sichtungen über New York?« Vor der Kamera stand MMSE, Colman VonKeviczky, Direktor des ICUFON, des ›Intercontinental U. F. O. Research And Analytic Network‹ in New York. »Selbstverständlich auch über New York!« Für Herrn VonKeviczky war das keine Frage. Vermutlich hatte er in seinem Archiv entsprechende Berichte. »Sind Sie da sicher?« Ich war anders informiert: Bisher keine UFOs über Manhattan.
In dieser Stadt, so hieß es, blicke keiner zum Himmel. Vielleicht lag es daran.
Herr VonKeviczky war ein ungarischer Grandseigneur. Wir hatten ihn vor den überdachten Eingang Nummer 333 der 43. Straße-Ost postiert, Tudor-City, altenglische Architektur. Das war der beste Kamerablick hinüber zum Gebäude der ›Vereinten Nationen‹.
VonKeviczky war Angestellter der UNO gewesen, bis er im Plenum der ›Vereinten Nationen‹ eine Art UFO-Revolution entfesselt hatte. Die Delegierten, allen voran der Generalsekretär U Thant, wurden überschüttet mit Resolutionen, Proklamationen, Warnungen, Anrufen, mit Forschungsmaterial, Aufklärungsschriften und Fotos und immer wieder mit der ultimativen Forderung: Tut heute etwas – denn morgen ist es zu spät!
Den Kontakt mit außerirdischen Delegationen vorzubereiten, das war für VonKeviczky das Gebot der Stunde. Mit ungebrochener Energie, ja mit Emphase berichtete VonKeviczky vor unserer Kamera von seinen Aktionen: »Der ehrenwerte Herr Generalsekretär U Thant, er ist gewesen särr, särr beeindruckt.«
VonKeviczky sprach das dramatische ›r‹ der ungarischen Emigranten. Und er fuhr fort:
»Ich frage Sie: Wer ist denn die amtliche Persönlichkeit, die autorisierte Vertretung der irdischen Nationen, die die Autorität besitzt, ein ›Willkommen‹ auszusprechen, und die auch die Macht hat, alle Nationen unseres Planeten vor einer Delegation zu vertreten, die von einem anderen Himmelskörper zu uns entsandt wird? Wer kann, nach Absprache mit allen Völkern, ein exterritoriales Gebiet bestimmen, wo bevollmächtigte Abgesandte mit dem Auftrag außerirdischer Mächte landen und unbehelligt bleiben können? Sie werden mir recht geben, wenn ich sage: die Vereinten Nationen! Aber vergessen Sie nicht: Die Tür dort drüben ist fest verschlossen durch Bürokraten, Diplomaten, nationale, internationale und politische Eifersüchteleien und eine unsichtbare
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