Die Delegation
Streifen Vegetation – ein Fluß. Dahinter, viele Kilometer weit, ein flaches Plateau.
»Wir überfliegen jetzt das Ingenio-Tal, vor uns liegt die Ebene von Nazca. Aus dieser Höhe sind die geometrischen Linien und Flächen bereits gut zu erkennen.« Die Kamera schwenkt wieder hinaus, hinunter auf die Ebene. Linien kreuzen sich wie Straßen, fächern sich auf, laufen wieder zusammen, bilden Dreiecke, Trapeze, Parallelogramme, verschwinden am Horizont, überwinden Hügel, enden hoch über dem Tal an den Hängen der Berge.
»Die Vermutungen der Archäologen sind vielfältig. Der Hinweis auf astronomische Beobachtungen an Hand dieser Linien befriedigt aber ebensowenig wie die Theorie von Mason, der von einer Religion der Trigonometrie spricht, die es sonst aber nirgendwo gegeben hat.
Nur die Außenseiter sind sich einig: Däniken, Pauwels, Bergier, Robert Charroux, Estrella. Die Söhne des Himmels, ‘ die Götter, Astronauten einer fremden Zivilisation, herabgestiegen auf diesen Planeten vor zehn-, zwanzig- oder dreißigtausend Jahren, sind eingegangen in fast alle Legenden der Völker.
War dies hier einer ihrer Stützpunkte? Oder wurde dieser ›Landeplatz‹ angelegt von einem irdischen Volk, das die Rückkehr der ›Götter‹ erwartete?«
Lundquist ruft etwas herüber zu Roczinski, macht mit der Hand ein Zeichen.
»Wir werden jetzt höher fliegen, um einen besseren Überblick… halt! Lundquist, was ist das…? Da unten!
Mike, swing out your camera! – Hier unten – seht ihr…?«
Callaghean reißt die Kamera wieder zum Fenster, zielt hinaus, hinunter auf die Linien.
Lundquist fliegt eine Schleife, der Horizont verschwindet, aber kurz vorher war etwas zu erkennen, ein Aufblitzen, ein dreifacher Reflex am Schnittpunkt dreier Linien. Spiegelung des Sonnenlichtes, metallisches, silbriges Glänzen. Roczinski hat das Fenster aufgerissen, beugt sich hinaus. Der Fahrtwind reißt ihn fast weg, nimmt ihm die Stimme. Er brüllt herüber zu Lundquist:
»Nein – nicht tiefer – nicht runter gehen! Nicht tiefer – go back – back!«
Der Horizont schwingt wieder nach oben, steil durchfliegt die Maschine wieder die Kurve, versucht, erneut Höhe zu gewinnen.
Callaghean hält die zitternde Kamera weit hinaus. Da, wieder – ein dreifacher Blitz – dann deckt der Flügel die Objekte ab. Wieder eine Kurve. Wieder der Reflex.
Mit der Gummilinse versucht Callaghean, die Objekte heranzuholen. Das Bild schwankt, vibriert, sucht.
Ein heller Punkt, spiegelnder Glanz des Sonnenlichtes, unscharf, verschwommen – kommt näher, wird deutlicher… Aber da verfließt das Bild in orange, wird weiß, überstrahlt. Das Ende der Rolle läuft an der Optik vorbei.
69
An der schönen blauen Donau…
Der Walzer dröhnte aus dem Lautsprecher, ein Samtvorhang wurde zur Seite gezogen, in schwarzem Zweireiher mit silbergrauer Krawatte, die Gattin am Arm, betrat der Direktor des staatlichen Paradors, des Rasthauses in Nazca, als erster den Speisesaal. Deplacierte Etikette.
Er war Wiener, ein älterer Herr, der seit zwanzig Jahren in diesem Wüstennest lebt und diese geographische Isolation nicht wahrhaben will.
»Kommen Sie pünktlich zum Abendessen! Schlag achtzehn Uhr wird serviert!«
So speisten wir denn in tropischem Räuberzivil bei Wiener Musik und Kerzenlicht. Letzteres hatte einen praktischen Grund: das hauseigene Stromaggregat fiel regelmäßig aus.
Dann kamen die Händler. In Scharen umlagerten sie das Hotel, einige wagten sich sogar in die Halle. In Körben und Taschen schleppten sie die in Zeitungspapier eingewickelten Überreste der Nazca-Kultur. »Antique – antique!« – Zweitausend Jahre alt! Töpfe und Schalen und Scherben. Zerkratzt und verräuchert, gesprungen, die bunten Malereien abgeplatzt, zerschlagene Kanten, Löcher und viel, viel Patina. »Sehr schön gemacht! Schön und geschickt!« In unserem Hotel wohnte auch ein Archäologe aus Lima.
»Glauben Sie mir, kein Stück ist älter als zwei Jahre. Die Händler würden ja auch Kopf und Kragen riskieren. Auf Raubgrabung und Feilbieten echter Antiquitäten steht Zuchthaus.
Nun lebt hier in der Gegend eine ganze Industrie von diesen Fälschungen. Containerweise gehen die Stücke ins Ausland und verwirren dort die Experten. Denn die Leute hier verstehen ihr Handwerk. Ohne Pollenanalyse, zum Beispiel, ist keiner dieser Töpfe zu datieren.«
»Also Betrug?«
»Im Ausland vermutlich – hier nicht. Die Stücke sind sehr billig. Nichts
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