Die Delfine von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
sie war sehr gelenkig. Der Strand war so gut wie leer. Nur ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern hatte sich dort niedergelassen. Die Kleinen buddelten fröhlich, der Vater las Zeitung und die Mutter machte ein Nickerchen.
Sheila breitete ihr Handtuch aus, legte ihre Badetasche daneben und watete dann ins Meer. Sie war aufgeregt. Würde es wieder passieren? Heute? Jetzt? Ganz wohl war ihr nicht dabei.
Doch das Meer war herrlich. Schon nach wenigen Schritten fiel die Unruhe von Sheila ab. Sie ließ sich bäuchlings ins Wasser fallen. Warm und weich umschlossen sie die Wellen. Sheila machte ein paar kräftige Züge und ließ sich dann treiben. Es war fast so, als würde sie nach Hause kommen.
Als sie ein Stück vom Ufer entfernt war, holte sie tief Luft und tauchte. Sie konzentrierte sich.
Delfin, Delfin, Bruder mein,
so wie du möcht ich gern sein!
Dein Zuhaus’ sind Meer und Wind.
Ach, wär ich doch ein Wasserkind!
Ihr wurde schwindelig, und in ihrem Kopf rauschte das Blut. Sie spürte, wie sich ihre Gestalt veränderte. Es klappte! Unglaublich! Diesmal hatte sie weniger Schmerzen. Es zog zwar noch im Rücken, als sich ihr Leib streckte und mit ihren Beinen verschmolz, aber die Verwandlung war längst nicht mehr so unangenehm wie beim ersten Mal. Glücklich schaute sie sich um.
Sie konnte wieder gestochen scharf sehen. Und da war auch dieser andere Sinn – das Gefühl, ihre Umgebung hören zu können. Der Wunsch, etwas zu untersuchen, genügte. Schon erschien ein Abbild des Gegenstands in ihrem Kopf, und sie wusste, ob es sich um eine Muschel, einen Stein oder ein Holzstück handelte. Erst nach einer Weile fiel ihr auf, dass sie dabei ein Geräusch machte, ganz automatisch. Es war eine Art Klicken.
Mein Sonar, dachte Sheila. Ich bin tatsächlich ein Delfin!
Die neuen Eindrücke waren überwältigend. Sie tauchte hinab in die geheimnisvolle, lichtdurchflutete Welt und sah kleine Fische, Muscheln und Krebse. Übermütig steckte sie ihren Schnabel in den Sand und wühlte den Boden auf, bis das Wasser vor ihr trüb wurde. Mit ein paar kräftigen Flossenschlägen schwamm sie weiter, tauchte auf und sprang in hohem Bogen aus dem Wasser. Wieder und wieder. Sie drehte sich dabei und ließ ihren Körper aufs Wasser platschen, dass es spritzte.
Herrlich!
Doch plötzlich vernahm sie Stimmen. Sie hielt den Kopf aus dem Wasser und äugte zum Ufer. Die Familie am Strand war auf sie aufmerksam geworden. Die beiden Kinder deuteten mit dem Finger auf Sheila und riefen aufgeregt: »Ein Delfin! Ein Delfin!«
Der Vater zückte seine Digitalkamera.
Erschrocken tauchte Sheila ab und blieb eine ganze Weile unter Wasser. Sie musste vorsichtiger sein.
Sie schwamm ein Stück aus der Bucht hinaus und kam nur dann hoch, wenn sie Luft holen musste. Es war schon ziemlich merkwürdig, dass ihre Nase jetzt über den Augen saß … ein Gefühl, als würde sie durch die Stirn atmen! Und wie leicht es war, mit dieser Nase zu pfeifen und alle möglichen Laute hervorzubringen! Sheila probierte es aus und versuchte, sinnvolle Worte zu formen.
Hallo, hallo!
Ob sie sich auf diese Weise mit anderen Delfinen verständigen konnte?
Ist da jemand?
Keine Antwort. Sheila versuchte es noch einmal.
Hallo, ich bin Sheila! Ist jemand in der Nähe?
Wieder blieb die Antwort aus.
Ich mach es falsch, dachte Sheila enttäuscht. Falls andere Delfine in der Nähe sind, verstehen sie mich nicht. Wie auch. Sie haben eine eigene Sprache. Und vielleicht verstehen sie statt meines Hallos nur Trollemur oder Randeratsch …
Trotzdem war es toll, ein Delfin zu sein! Sheila schwamm weiter hinaus und stieß dabei aus purem Übermut Fantasielaute aus, die ihr gerade in den Kopf kamen.
Rollehomata!
Rönderratteroi!
Sheila-Sheila-Sheila!
Gerade als sie überlegte, ob sie es vielleicht einmal mit englischen Begriffen versuchen sollte, hörte sie eine Antwort.
Sheila erstarrte in der Bewegung. Sie ließ sich treiben und konzentrierte sich auf den fremden Laut.
HILFE! SCHNELL! HILFE!
Sheila vergaß alle Wortspielereien und schoss los. Da war ein Delfin in Not! Sie versuchte zu orten, woher die Hilferufe kamen, und schlug die Richtung ein. Blitzschnell durchpflügte sie das Meer.
Bald sah sie vor sich unter Wasser etwas Merkwürdiges treiben, rund wie ein Ballon. Der Durchmesser betrug etwa zwei Meter. Das Ding bestand aus Tang, so als hätte jemand einen großen Korb geflochten und ins Meer gehängt. Im Innern aber war ein Delfin gefangen und konnte
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