Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Schick mir lieber eine SMS.«
Als sie sich verabschiedet hatten, sagte Luc anerkennend: »Eine beeindruckende Frau, deine Freundin. Wie sie immer wieder versucht die anderen nicht mit ihren Gefühlen zu belasten.«
» So war sie schon immer. Eine ihrer vielen Qualitäten. Trotzdem ist sie ein offener Mensch, wenn sie einem nahesteht. War sie zumindest früher. Und jetzt fühle ich das wieder.«
Als sie in Toulouse ankamen, suchten sie sich erst einmal in der Nähe des Bischofspalais eine Bar um etwas zu trinken. Die Mittagshitze setzte gerade ein. Es war hier eine vollkommen andere Hitze als am Meer. Kein Windhauch, einfach nur erstickend heiß. Lene musste sich beherrschen um nicht ihr ganzes Wasser in einem Zug zu trinken.
Dann war es halb zwölf , Zeit für ihre Audienz. Beide waren nervös. Welche Konsequenzen würde dieses Gespräch haben?
Alte Mauern empfingen sie. Ein Priester führte sie in einen großen, hellen Raum. Viel roter Samt, hohe, schmale Fenster, die in einen Garten hinausgingen. Renaissance-Gemälde an den Wänden. Lene sah ein Madonnenbild von Giotto. Ob es echt war? Wahrscheinlich. Auf der linken, der Stirnseite, vier Gemälde von Bischöfen, dunkel und eindrucksvoll ernst.
Ein wunderbarer großer Orientteppich bedeckte den Fußboden. Alles in allem ein geschmackvoller Raum, der auch Licht und Freu de an klaren Farben ausstrahlte und den Garten als Gottes Schöpfung bewusst mit einzubeziehen schien. Sie blieben am Fenster stehen. Da öffnete sich die Tür und der Erzbischof ging ihnen entgegen. Winkte dem Priester sie allein zu lassen. Eine warme Hand mit festem Druck. Augen, die einen offen und direkt ansahen, angenehme, vitale Augen. Und diese Vitalität schien der ganze Mann auszustrahlen. Vielleicht Ende Fünfzig oder Anfang sechzig, nicht alt für einen Erzbischof.
Er bat si e, sich an den kleinen Tisch mit mehreren gemütlichen Sesseln zu setzen. Der Priester klopfte, trat ein mit einem Tablett mit einer Karaffe Wasser und einer Flasche Wein. Dazu Knabbergebäck. Edle Weingläser, deren Kristallschliff im Sonnenlicht aufblitzte, ließen an eine Einladung »bei Hofe« denken. Aber das war es wohl auch.
Als sie wieder allein w aren, hob der Bischof sein Glas.
» Darauf, dass mit Gottes Hilfe diese grausame Tat bald aufgeklärt wird.«
Er setzte das Glas ab und sah Renaud und Lene nachdenklich an. Offenbar wusste er noch nicht, dass der zweite Mord direkt mit dem ersten in Zusammenhang zu stehen schien.
» Womit wir beim Thema wären. Ich habe einige Fakten von meinem lieben Père Jean Baptiste, der übrigens bald zum Abbé, also Abt, wird«. Bei diesen Worten wandte er sich mit einem charmanten Lächeln für einen kurzen Augenblick zu Lene. Die Übersetzung als Geste für sie. Lene lächelte zurück.
» Eine deutsche junge Urlauberin wird ermordet und nun gehen die Fäden Ihrer Ermittlungen schon bis nach Toulouse. Sie hatte eine Gürtelspange gefunden, von der sie annahm – und ich gebe gleich zu, dass Père Jean Baptiste ebenso denkt – dass sie noch von den Katharern stammt. Wie seltsam, dass gerade sie als Ausländerin so etwas gefunden hat! Auch das Wie des Entdeckens war wirklich sehr seltsam.«
Seine Stimme wurde leiser, dann unterbrach er seine Rede. Was um Himmels Willen wollte er nur? Luc wartete ebenso wie Lene, wohin seine Ausführungen zielten. Lene fiel plötzlich ein, dass er ihnen mit einer sel tsamen Handhaltung die Hand gegeben hatte. Hatte er einen Kuss auf den Bischofsring erwartet? Sie kannte das aus Bayern. Jetzt verscheuchte sie den Gedanken.
Erzbischof Maricol nahm noch einen Schluck Rosé , bevor er fortfuhr.
» Glauben oder vermuten Sie wirklich, dass die – zweifelfrei sehr wertvolle Gürtelschnalle – die Ursache für den Mord war? Père Jean Baptiste sprach von einer Vergewaltigung. Das scheint mir wenig zusammenzupassen.«
Wieder unterbrach er sich und sah Luc auffordernd an. Die Mimik eine einzige Erwartung. Dieser Mann strahlte eine Persönlichkeit aus, die zwingend wirkte. Luc reagierte, wenn auch zögernd.
» Wir müssen davon ausgehen, dass der Wert des Schmuckstücks durch die Seltenheit dieser Antiquität ein sehr starkes Motiv darstellt. Die Vergewaltigung kann mit dem Mord zusammenhängen, muss es jedoch nicht. Zwischen den beiden Taten ist eine Zeitlücke. Da Mademoiselle Melzer nur Jean-Pierre Malineau und dieser wiederum nur Père Jean Baptiste von dem Fund erzählt hat, müssen wir natürlich überprüfen, was mit diesem
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