Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Gut, dann hole ich dich in einer halben Stunde ab.«
Der Erzbischof! Nun war sie aufgeregt. Suchte nach etwas Passendem anzuziehen. Ein knielanges schmales dunkelblaues Leinenkleid mit weißer Passe schien ihr als möglich durchzugehen. Dabei hatte sie es gar nicht mitnehmen wollen in ihre Ferien. Jetzt war es genau das Richtige. Ihr Haar schlang sie zu einer Art Knoten oben auf dem Hinterkopf und befestigte es mit einer Spange. Gut sah sie aus, stellte sie fest und sah mit Freude, dass das Kleid locker saß. Sie hatte abgenommen. Sehr gut.
Der Erzbischof – sie konnte es immer noch nicht fassen. Würde er jetzt den gordischen Knoten zerschlagen oder etwas ähnlich Bedeutendes?
Da hörte sie schon das Auto.
Luc stieg gar nicht erst aus, winkte nur Sophie zu und startete wieder, als Lene neben ihm saß. Auch er hatte sich konventioneller angez ogen. Ein dunkler Blazer, ein weißes Leinenhemd.
» Wie findest du das? Was will er nur von uns? Sein Geständnis? Oder uns den Täter ausliefern? Das wäre die schönste – und unwahrscheinlichste Variante«, grinste Luc und die Augenfältchen sprangen in ihre Lieblingsposition. Er sollte immer lächeln, dachte Lene. Dann ist er unwiderstehlich.
» Wie spricht man einen Bischof überhaupt an? Eure Exzellenz oder Eure Eminenz ? Was meinst du?«
Lene überlegte . Dachte an die Pfarrer Brown Krimis.
Luc fuhr begeistert fort mit den Luftschlössern.
»Also, Variante zwei. Er macht uns ein Höchstangebot – unter der Hand – für die Gürtelschnalle. Das wäre doch mal was. Hübsch illegal. Würde ich sofort drauf eingehn.«
Lene grinst e auch. »Sei mal ernst. Was noch?«
» Variante Nummer drei. Er will nur wissen, was wir wissen. Das scheint mir die wahrscheinlichste. Sicher hat unser lieber Père Jean Baptiste gleich von uns erzählt und er vermutet, dass wir uns auf Irrwegen in den bischöflichen Gärten der Verdachtsmomente verlaufen. Da will er vorbauen. Alle reinwaschen.«
» Das glaube ich auch«, gab ihm Lene Recht und dann fiel ihr noch etwas ein. »Oder er will sich von Jean Baptiste und Jean-Pierre distanzieren. Nach dem alten Motto: Ich wasche meine Hände in Unschuld. Vielleicht gibt es auch in der Kirche Gerüchte, schließlich unterrichtet Père Jean Baptiste nicht mehr am Priesterseminar.«
» Sehr gut. Das würde auch passen. Egal, wir müssen vorwärtskommen. Was wollen wir ihm erzählen? Ich meine, wie viel von unseren Ermittlungen?«
Lene dachte zurück an einem alten Fall, der bis in die bayrische Staatsregierung gereicht hatte.
» Ich mache es immer so, dass ich es von der Persönlichkeit desjenigen abhängig mache. Da helfen uns unsere Intuition und unsere Erfahrung. Vorher kann man gar nicht abschätzen, wie weit man jemandem in einer hohen Position vertrauen möchte. Mach’s doch einfach davon abhängig, was du in der Situation für richtig hältst.«
Luc nickte zustimmend.
»So machen wir es. Aber von dem Exlover wollen wir lieber möglichst nichts verlauten lassen. Sonst führt uns der schlaue Fuchs – denn das könnte ein Erzbischof schon sein – auf die Fährte von dem und lässt uns dort im Dunkeln sitzen.«
Bei dem Vergleich und der Vorstellung lachten jetzt beide albern wie die Ki nder.
Hinter Carcassonne, das von den Jahrhunderten ve rgessen wie ein Ei in einem Meer von modernen Bauten im Sonnenschein lag, und dessen Anblick sie beide wieder nachdenklich gestimmt hatte, erzählte Lene von ihrem Gedanken gestern Nacht.
» Jetzt kann ich Marion schon anrufen, vorhin war es noch zu früh. Ich bin froh, wenn sie wenigstens etwas schläft. Sie hat mir erzählt, dass sie immer die ganze Nacht wach liegt und erst gegen fünf, halb sechs in den Schlaf gleitet. Es ist so ein Albtraum.«
Luc sah zu ihr hinüber. Sie wollte nicht, dass er sah, dass in der Vorste llung, was ihre Freundin durchmachte, ihre Augen zu schwimmen angefangen hatten und sah stur geradeaus.
» Ich finde deine Idee gut. Und die Logik dahinter. Wäre gut, wenn wir den oder die Namen sobald wie möglich bekommen könnten.«
Lene wählte schon. Die Marions Stimme. Lene erklärte ihr, worum es ging.
» Dass ich daran nicht selbst gedacht habe, Lene! Sie hat zwei enge Freundinnen, Conny und Sabine. Die Nummern versuche ich herauszubekommen. Ich rufe dich an, wenn ich sie habe.«
Lene sah sich im Aud ienzzimmer des Erzbischofs, das ernste Gespräch unterbrochen vom Klingelzeichen ihres Handys. Lieber nicht.
» Ich habe das Telefon nachher für eine Zeit aus.
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