Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Wissen geschehen ist. Bei wem es außer den beiden gelandet ist. Somit auch bei Ihnen, Eure Eminenz, ohne jede Wertung unsererseits. Das ist alles Routine. Das, was uns viel mehr interessiert, ist, was Sie darüber denken. Und ob es noch weitere Kanäle gibt, in die das Wissen geflossen sein könnte.«
Er hatte sehr vorsichtig formuliert, mit vielen Pausen des Nachdenkens. Abtasten. Die richtige Anrede war also, Eure Eminenz . Wie hatte er das noch erfahren?
Da lächelte Erzbischof Maricol plötzlich und sein Gesichtsausdruck war so über raschend, so offen und zugleich charismatisch, dass Lene unwillkürlich zurück lächelte. Was bezweckte er nur mit diesem Gespräch? War es Neugier bei ihm? Sie konnte sich das schwer vorstellen.
Nun reflektierte auch Lucs Gesicht dieses erzb ischöfliche Lächeln.
Der Bischof faltete die Hände über dem Gürtel.
»Ja, auch deshalb habe ich Sie hierher gebeten. Weil ich ihre Frage beantworten kann. Dieses Wissen hat diesen Raum nicht verlassen. Hier fanden die beiden Unterhaltungen mit Père Jean Baptiste statt. Und niemand anderer war zugegen.«
Sein Lächeln wurde noch intensiver.
»Und ich kann Ihnen versichern, dass die Türen schalldicht sind und es keine Abhörvorrichtungen im erzbischöflichen Palais gibt. Zudem ist mir dieser junge Mann, Jean-Pierre Malineau, persönlich bekannt. Ein sehr integerer und aufrichtiger junger Mann, dem Geld weniger bedeutet als seine tiefen Gefühle, für die er seine eigenen Konsequenzen zieht. Er verdient unseren Respekt. Und eignet sich sicher nicht als Verdächtiger, soweit ich ihn kenne.«
Luc atmete hörbar aus. Er beugte sich leicht vor, eine Angewohnheit, die Lene schon aufgefallen war und die zeigte, wie intensiv er auf seinen Gesprächspartner einging. Die Atmosphäre der Vorsicht war ein Stück der des Vertrauens g ewichen.
» Ich danke Ihnen für Ihre offenen Worte, Eure Eminenz. Ich werde sie bei unseren Ermittlungen berücksichtigen.«
Der Bischof erhob sich. Lene und Renaud ebenfalls. Die Audienz war beendet.
»Geben Sie mir einen Bericht, einen kurzen, wenn der Täter gefasst ist? Ich würde mich freuen. Ach ja, und Sie haben die Gürtelschnalle nicht zufällig dabei?«
» Nein. Im Moment ist sie an einem neutralen Ort untergebracht.«
Ein Schimmer der Enttä uschung legte sich über seine Züge. Dann fuhr Erzbischof Maricol fort – und dabei kehrte plötzlich ein verschmitztes Lächeln zurück.
» An einem neutralen Ort? So,so. Noch eine inoffizielle Bemerkung für die Familie des Opfers. Ich weiß nicht, welchen Anspruch der französische Staat auf diese Antiquität erhebt. Sollte jedoch, ich betone sollte , das Schmuckstück eines Tages nicht mehr auffindbar sein, gibt es von der Seite der Kirche aus keine Nachforschungen. Oder Informationen an offizielle Stellen. Es gibt auch keinen Anspruch. Wenn eines Tages irgendjemand den Schmuck verkaufen möchte, darf er sich gern an mich wenden. Ich würde mich großzügig zeigen und nicht viele Fragen stellen.«
Er legte eine kurze Pause ein. Dann fuhr er mit einem Augenzwinkern fort und wurde wieder auf eine lächelnde Art ernst.
» Auch ich bin ein Sohn des Languedoc. Und es gibt von meiner Seite aus einen tiefen Respekt in Bezug auf das bedeutungsvolle Auffinden dieser Gürtelspange durch das junge Mädchen. Wir haben hier eben unsere eigene Geschichte. Und nun möge Gott mit Ihnen sein.«
Diesmal beugten sich beide über den dargereichten Ring.
Als sie auf die dicht befahrene Großstadtstraße hinaustraten, war es, als ob sie eine fremde Welt vorfänden. So anders war es hier draußen. Sie sahen sich an.
» Ganz schön beeindruckend. Sind eure Bischöfe alle so?«, versuchte Lene das gerade Erlebte einzuordnen.
» Hat er damit wirklich gesagt, dass er ebenfalls an Reinkarnation glaubt, oder habe ich das nur interpretiert?«
Luc strich sich das Haar aus dem Gesicht. Wieder dies jungenhafte Grinsen an ihm.
»Also ich hoffe, er wird nicht exkommuniziert von Rom. Aber ich habe ihn so verstanden, auch wenn er die Worte bewusst verwirrend gewählt hat. Auf jeden Fall sollten wir dieses Gespräch - bis auf das Kaufangebot an das Ehepaar Melzer - für uns behalten. Es war im Vertrauen.«
Nachdenklich gingen sie zu ihrem parkenden Auto. Bruthitze schlug ihnen beim Öffnen der Türen entgegen. Sie beschlossen gleich loszufahren. Dann würde die Klimaanlage sie etwas kühlen. Als sie wieder klar denken konnten, schien ihnen das eben Gehörte immer noch
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