Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
gekannt hatte. Und Jupiter, der artig in unserem Auto im Schatten wartete und mich schon so viele Jahre begleitet.«
Lene glitt mit ihr in die Erinnerung an diesen sch önen Tag, die Freude, die wunderschöne Braut Nathalie. Wo waren die zehn Jahre geblieben? Aber jetzt hatte sie genug Auszeit genommen. Zurück an die Arbeit. Deshalb war sie schließlich hier.
» Das mit Jean-Pierre drängt. Ihr anderen könnt ja inzwischen einen Apéritif trinken. Robert, magst du mich hinbringen, ich meine zu seinen Eltern?«
» Ich glaube, er hat nur eine Mutter. Komm.«
Sie gingen d urch die Gassen mit Kopfsteinpflaster, die Häuser eng aneinander gebaut. Schmiedeeiserne Balkone und geklappte Fensterläden, die jetzt am beginnenden Abend die frische Luft ins Zimmer ließen. Sie kamen am Haus von Estelle vorbei, die gerade vor der Haustür stand und sie voller Freude begrüßte.
» Und Jupiter? Geht es ihm gut?«
Robert bat Lene, sie möchte schon einmal vorausgehen, er wolle noch mit Estelle etwas besprechen. Verwirrt ging Lene weiter und hörte jedoch kurz darauf seine schnellen Schritte, die sie wieder einholten.
» Also, sie kennt Jean-Pierre ziemlich gut. Und meint, er hätte ein Verhältnis mit einem großen, sehr schlanken und gut aussehenden Professor gehabt während des Studiums. Sie hat ihn einmal gesehen und sagte, der sei ein Traum von einem Mann. Und die beiden waren sehr vertraut miteinander. Sie meint, das wäre keine hoffnungslose Liebe gewesen. Ihre jüngste Schwester hatte nämlich immer für Jean-Pierre geschwärmt, sie sind schon zusammen in den Kindergarten und später in die Schule gegangen. Als sie älter wurden, hat sie alles versucht. Aber es blieb nur bei einer engen Freundschaft. Heute glaubt sie, dass sie auch so eine Art Alibifunktion für ihn inne hatte, ohne dass Jean-Pierre das merkte. Er wollte einfach nur Priester werden. Seine Mutter war sehr gläubig. Für sie war es der schönste Tag in ihrem Leben, als er ihr seinen Berufswunsch sagte. Und der schrecklichste, als sie vom Abbruch seines Studiums hörte. Sie hat sich damals eingeschlossen und drei Tage nur geweint. Sagt Estelle. Aber Jean-Pierre hat Estelles Schwester gesagt, dass er geschockt war, als er merkte, dass er schwul war und dass er es nicht mit seinem Gewissen vereinen konnte. ›Stell dir doch vor, ich arbeite dann mit Jugendlichen und meine Homosexualität wird bekannt und dann die Eltern!‹ Nein, diese Schande für die Kirche wollte er nicht. Er erkannte, dass seine Liebe nicht nur Gott gehören konnte und war einfach verzweifelt. Und konsequent.«
» Und die Beziehung zu dem Priester?«
» War dann wohl zu Ende. Estelle wusste auch nichts darüber.«
» Wusste sie, ob er zurzeit hier ist?«
» Das habe ich nicht gefragt.«
Lene sah sich um, nahm die Atmosphäre dieses außergewöhnlichen O rtes in sich auf.
» Ich denke, dass er hier ist. Euer Ort als innere Zuflucht für ihn. Zwei Morde sind ja auch etwas viel, beide Frauen waren mit ihm befreundet. Da würden wir auch Sehnsucht nach Geborgenheit und Vertrautem haben. Du nicht?«
Robert runzelte die Stirn. »Doch«, gab er zu.
» Wir sehen mal, was die Mutter sagt. Ist es noch weit?«
V ier Häuser weiter bogen sie um eine Ecke und da lag das Haus. So schmal, dass die Räume übereinander zu liegen schienen. Blumen in Tontöpfen auf der Treppe. Es sah bezaubernd aus.
Auf ihr Klingeln wurde die Tür geöffnet und eine Frau in Lenes Alter öffnete. Wenn sie auch ein völlig anderer Typ als sie war. Ein einfaches Kleid, das Haar streng nach hinten gebunden, keine Farbe im Gesicht. Irgendwie sah sie älter aus als sie war, unglücklich. Robert ergriff die Initiative in seiner charmantesten Art. Unwiderstehlich, dachte Lene.
» Madame Malineau, schön, dass wir Sie antreffen. Das hier ist eine uralte Freundin von mir aus Deutschland. Dürfen wir hereinkommen?«
Zögernd öffnete sie die Haustür ganz und trat zurück um sie hineinzulassen. Sie traten in eine gemütliche Küche, in der Mme Malineau offensichtlich schon bei den Vorbereitungen für das Abendessen war. Anheimelnd wirkte es hier.
» Meine Freundin ist außerdem Kriminalkommissarin, Madame. Entschuldigen Sie den Überfall, aber Madame Becker untersucht die Mordfälle unten am Meer. Da es doch zwei deutsche Urlauberinnen waren. Sie haben sicher davon gehört oder gelesen?«
» Ja, ich habe Sie sogar auf einem Bild in der Zeitung gesehen. Weshalb kommen Sie aber zu mir?«
» Ist Ihr Sohn hier? Wir
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