Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
stellte sie zurück auf das Tablett und tastete dann den Teppichboden ab, um zu sehen, ob auch der ein paar Spritzer abbekommen hatte. Er hatte. Und deshalb ging Dille, der es durch seinen Bruder gewohnt war, dass ständig Dinge umkippten und aufgewischt werden mussten, in die Küche, um einen Lappen zu holen. Als er zurückkam, hörte er durch den kleinen, offenen Spalt der Badezimmertür ein leises Geräusch. Er blieb stehen und lauschte.
Weinte Petra?
Wegen eines bisschen umgekippten Tees?
Dille drückte die Badezimmertür vorsichtig ein kleines bisschen weiter auf und schielte hinein: Dort stand Petra, in ihrer Unterwäsche, und schluchzte leise. Einfach so. Kein großes Heulen, nur ein unglückliches Wimmern.
Dille wollte sich gerade zurück ins Zimmer schleichen, als Petra ihn bemerkte. Sie sah seinen neugierigen Blick im Spiegel, drehte sich rasch um und brüllte: »Was fällt dir ein, du Spanner!«
Dilbert stand da, bedröppelt, mit seinem Lappen in der Hand. »Ich, äh …«, stammelte er, während Petra ihn empört anfunkelte. Und dann – er wusste selbst nicht, was in ihn fuhr – sagte er leise: »Ich hab gar nicht gewusst, was für eine tolle Figur du hast.«
Petra riss ihre Arme hoch, verschränkte sie vor ihrer üppigen Brust, die sich durch den dünnen Stoff ihres Unterhemdes abzeichnete, und knallte mit dem Fuß die Tür zu.
Was bildet dieser Kerl sich ein , dachte sie wütend. So ein Arschloch! Natürlich wusste sie, dass sie sich diese Empörung nur selbst vorspielte – und dass nicht mal besonders gut. Eben noch hatte sie geweint, weil es ihr nicht gelang, Dille darauf aufmerksam zu machen, dass sie mehr war als bloß Petra, die Kumpelfrau. Und jetzt hatte er es bemerkt. Endlich. Aber was jetzt?
Dille trottete derweilen ins Zimmer zurück und begann den Teppichboden abzutupfen. Was hatte er Idiot nun schon wieder angestellt?
Eine Minute später erschien Petra. Dille hörte, wie sich die Tür hinter seinem Rücken öffnete, und er wollte sich gerade umdrehen und sich entschuldigen, als er eine Hand auf seinem Rücken spürte. Und die blieb dort nicht liegen – sie wanderte höher und begann seinen Nacken zu streicheln. Und als er sich umdrehte, sah er, dass Petra immer noch nichts anderes anhatte als ihre Unterwäsche. Sie nahm seinen Kopf und küsste ihn. Ganz sanft, ganz anders, als man es von Petra vermutet hätte. Vorsichtig. Zögernd. Und ein wenig ängstlich. Es war immerhin der erste richtige Kuss ihres Lebens.
Dille schloss die Augen. Das ist doch verrückt , dachte er. Und küsste sie noch einmal. Und schön!
* * *
Wahnsinn! Wir waren völlig von den Socken: Petra war schwanger! Ausgerechnet Petra! Und wer war der Vater? Festhalten: Dille! So seltsam kann das Leben sein, dachten wir. Niemand von uns hatte Petra überhaupt für ein vollwertiges weibliches Wesen gehalten. Dass sie überhaupt eine Gebärmutter hatte, erschien uns als sensationelle Enthüllung. Und der allergrößte Knaller war, dass Petra das Kind tatsächlich bekommen wollte!
Wir saßen alle bei mir zu Hause, als sie es uns erzählte. Wir hockten auf dem Fußboden, tranken Cola und aßen Kartoffelchips. Petra vertilgte mindestens dreimal so viel wie wir. Sie wirkte energiegeladener denn je, und ihre Augen hatten so einen ganz neuen, seltsam milden Glanz. Sie war natürlich nicht begeistert über das, womit sie sich nun beschäftigen musste. Wir hatten sie – zum ersten Mal in unserem Leben – sogar kurz eine kleine Träne wegwischen sehen. Aber sie war weiß Gott auch nicht am Boden zerstört. »Ich habe das Gefühl, dass ich das kann«, erklärte sie uns mit fester Stimme. »Und es ist ja nicht so, dass ich irgendwelche großen Pläne hätte, die ich für dieses Kind aufgeben müsste.«
Natürlich war das nicht allein Petras Entscheidung; ihre Eltern hatten da schließlich auch ein Wörtchen mitzureden. Aber Petra meinte, deren Empörung hätte nur zehn Minuten gedauert, danach wären sie Sorge pur gewesen. Sie hätten sie in den Arm genommen und gestreichelt, und Petra habe sie großzügig gewähren lassen. Ein ganz klein bisschen, glaubte Petra, würden sie sich wohl sogar freuen. Ich konnte das verstehen: Wenn man fünfzehn Jahre lang glaubte, man würde die nächste deutsche Meisterin im Kickboxen großziehen, oder eine der talentiertesten Söldnerinnen, die die Fremdenlegion je gesehen hat, dann hat es sicherlich etwas Beruhigendes zu erfahren, dass man sich denn doch auf ein paar ganz
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