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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Ist Dille bei Dir? Ich wette, ja!
    Ich denke oft an Euch!
    Bernhard
    Wir waren sprachlos. Indien?
    Indien!
    Wir begriffen plötzlich, dass die Grenzen um unser aller Leben nicht so eng gezogen waren, wie wir dachten. Wenn ein Junge wie Bernhard nach Indien kam – was hielt das Leben dann womöglich für uns bereit? Wir dachten bislang immer nur an kleine Schritte. Jetzt kapierten wir, dass man auch große Sprünge machen kann. Das war aufregend!
    Und auch ein wenig beängstigend.

    Wenn ich ›große Sprünge‹ sage, dann meine ich natürlich nur Sven, Susann und mich: Dilberts und Petras Bewegungsradius betrug für die nächsten Jahre nur dreißig Meter. »Weiter sollte man sich als verantwortungsbewusstes Elternpaar nicht von seinem Kind entfernen!«, erklärte uns Dille eines Abend mit ernstem Gesicht. Die beiden hatten einen Sohn bekommen, einen gesunden, kleinen Brocken. Und die Diskussion, wie der Knirps heißen sollte, führte zum ersten Beziehungskrach der beiden.
    »Ich verstehe überhaupt nicht, was du gegen Rocky hast? Das ist doch ein super Name«, nörgelte Dilbert.
    »Ich nenne mein Kind nicht nach einem Boxer mit Dackelblick! Außerdem war der Film Scheiße«, motzte Petra.
    Zwei Tage war der Junge schon alt, und noch immer konnten sie sich nicht einigen! Petras Bettnachbarin im Krankenhaus verließ immer sofort das Zimmer, wenn Dilbert auftauchte. Sie hatte schließlich gerade ein Kind bekommen und wollte sich die Illusion bewahren, dass sie es in eine friedliche Welt hineingeboren hätte.
    Petras Vorschlag, ihren Sohn Fabian zu nennen, blockte Dille mit aller Macht ab: »Das ist ein Schmierlappen-Name! Das ist ein Weibername, den es zufällig in die Jungsnamen-Schublade verschlagen hat! Weich und glibberig klingt der!«
    »Mein Kind wird nicht Rocky Hölters heißen«, betonte Petra noch mal, »mit so einem Scheißnamen kann er ja später gar nichts anderes werden als Mittelstürmer oder Zuhälter!«
    Sie stritten sich sechs Tage. Und am Morgen des siebten und letztmöglichen Tages, bevor irgendein Beamter dem kleinen Knilch einen Zwangsnamen wie Heinrich oder Waldemar gegeben hätte, dackelte Petra zum Standesamt und ließ den großen, zähneknirschend geschlossenen Kompromiss in die Geburtsurkunde eintragen: Jan Fabian Rocky Hölters . Natürlich nannten wir den Kleinen immer nur Jan – das war ganz klar der einzige Weg, um es sich weder mit der Mutter noch mit dem Vater zu verscherzen.
    Abgesehen von dieser und vierhundert anderen Kabbeleien lief es aber gar nicht schlecht mit dem jungen Paar. Petra, die irgendwann während der Schwangerschaft zwangsläufig angefangen hatte, Röcke und Kleider zu tragen und damit auch nach der Geburt erstaunlicherweise nicht aufhörte, hatte zwar immer noch das Temperament und die Manieren eines Müllkutschers, ging aber eines Tages zu unser aller Überraschung zum Friseur und ließ den Pumuckl-Mopp auf ihrem Kopf töten. Stattdessen überraschte sie uns mit einer Föhnfrisur, die sie wie eine kurz- und rothaarige Vorort-Version von Farrah Fawcett Majors – einem der Drei Engel für Charlie  – aussehen ließ. Und manchmal schminkte sie sich sogar ein bisschen. Es war ein ungewohnter Anblick – aber wir alle fanden, dass es eine positive Veränderung sei: Denn erstens hatte der kleine Jan nun keine Probleme mehr herauszufinden, wer von den beiden Riesen, die sich über seine Wiege beugten, nun eigentlich die Mama war. Und zweitens zementierte der neue Look eine erstaunliche Erkenntnis: Petra war ein verflucht hübsches Mädchen!
    Das fand auch Dille, der sichtlich stolz mit seiner schönen Frau den Kinderwagen um den Block schob. Dille ging brav zur Arbeit und räumte bei Bolle Regale ein, saß an der Kasse, machte nicht einen einzigen Tag blau und amüsierte die Kundschaft – vorwiegend deren weiblichen Teil – mit allerlei Witzchen. Wenn wir Kirschkernspucker bei ihm vorbeischauten und etwas einkauften, dann ›vergaß‹ er meistens, den einen oder anderen Artikel in die Kasse einzutippen. Und er, der jahrelang gertenschlanke Vorstadtcasanova, der einen Waschbrettbauch hatte, bevor wir überhaupt wussten, was das war, bekam – eine kleine runde Plauze! »Die kriegen Familienväter nun mal«, grinste Dille. »Da kann man gar nichts gegen machen.«
    »Quatsch! Das kommt, weil er nicht mehr allen möglichen Mädchen hinterher rennt«, behauptete Petra. » Das war doch die einzige Art von Sport, die Dille je betrieben hat.«
    »Woher willst du

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